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Im Wiener Speckgürtel rollen die Bagger an

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Logistik-Hotspots rund um Wien boomen: Neben Hallen für den Eigenbedarf entstehen immer mehr Flächen für Dritte. Denn die Nachfrage steigt.

Österreichs größter Logistikpark wächst: Im Industrial Campus Vienna East in Enzersdorf an der Fischa rollen die Bagger. Bis zum Herbst sollen sechs neue Hallen mit insgesamt rund 40.000 Quadratmetern Lagerflächen und Büros entstehen. Alle Hallen werden in modernster Bauweise errichtet und als „Green Buildings“ zertifiziert, um so Nachhaltigkeit und Klimaschutz gerecht zu werden – und die Objekte bei Bedarf an internationale Fonds verkaufen zu können. Der Bauherr ist die Deutsche Logistik Holding (DLH), die neben dem größten Logistikpark Österreichs vor allem in Deutschland aktiv ist. Die Expansion zahle sich aus, meint Christian Vogt, Geschäftsführer DLH Österreich: „Österreich ist ein spannender Markt für uns. Wir sind hier ein wenig wie Pioniere, die schon früh das Potenzial von Logistikflächen erkannt haben, die nach Errichtung dem Logistikmarkt frei angeboten werden können.“

Viel Mieterinteresse

Das findet auch Franz Kastner, Associate Director der Industrial & Logistics Agency beim Immobiliendienstleister CBRE: „Die neuen Hallen sind für E-Commerce, Retail, Logistikdienstleister und Industriebetriebe interessant. Sie eignen sich als regionale Verteilerstandorte, Export- und Importlager, als Produktionslager mit Temperaturführung, aber auch als Ersatzteillager“, meint Kastner. Dass etwa ein Fünftel der Flächen ohne Vorvermietung entsteht und an Dritte angeboten wird, ist neu – aber die richtige Entscheidung, so der CBRE-Experte. „In den vergangenen Jahren wurden fast ausschließlich Logistikflächen errichtet, deren Nutzung bereits bei Baubeginn feststand.“ Auch in Oberösterreich und im Großraum Graz – an den anderen beiden wichtigen Logistikstandorten in Österreich – sollen neue Flächen ohne Vorvermietung folgen: Von den rund 350.000 Quadratmetern, die bis Ende 2020 in Österreich entstehen, werden rund 13 Prozent frei verfügbar sein.

Ein Leerstandsproblem werden diese Flächen, anders als so mancher Büroturm in der City, nicht kennen. So konnte Vogt schon vor Baubeginn zwei Hallen vermieten: „Hornbach wird eine Halle im Sommer beziehen, und für den Markteintritt in Österreich hat sich die Rudolph-Logistik-Gruppe ebenfalls für unseren Campus entschieden“, sagt der DLH-Österreich-Chef. Das hohe Interesse zeigt: Logistik ist durch den Siegeszug des E-Commerce ein absoluter Wachstumszweig. Überall dort, wo viele Menschen wohnen, ist der Bedarf an neuen Lagerhallen mit Lkw-Ladeflächen und Bahnanschluss enorm.

Hallen für alle

Am meisten wird daher derzeit im Speckgürtel um Wien gebaut: Um die Hauptstadt sprießen Logistikcenter aus dem Boden. „Die Nachfrage nach Logistikflächen rund um Wien ist sehr gut, gesucht werden derzeit von Entwicklern und großen Speditionen Grundstücksflächen ab sechs Hektar und Bestandsobjekte ab 20.000 Quadratmeter Lagerfläche“, sagt Anton Putz von Re/Max Commercial Wien. Grundstücke sind besonders im Süden von Wien heiß begehrt. Aktuell liegen die Quadratmeterpreise für Logistikimmobilien in Wien zwischen 250 und 400 Euro pro Quadratmeter. Die Mieten für Lagerhallen und Logistikflächen bewegen sich – abhängig von Lage und Qualität – zwischen 4,50 und sechs Euro pro Quadratmeter und Monat, bei kleinteiliger Verwertung können die Spitzenmieten auch darüber liegen. Vermietet werden allerdings nur rund 60.000 Quadratmeter pro Jahr, die meisten Entwickler errichten die Flächen für den Eigenbedarf. So baut die Post gerade in Hagenbrunn ein neues Logistikzentrum. Der 50 Millionen Euro teure Neubau, der heuer in Betrieb gehen soll, entlastet das zu klein gewordene Paketzentrum Wien und erhöht die Sortierkapazität um ein Viertel. Die Möbelriesen Ikea und XXXLutz, der Discounter Lidl, der Spediteur DHL, der gerade sein hochmodernes Logistikdrehkreuz am Flughafen Wien eröffnet hat: Sie alle bauen rund um Wien spürbar aus.

Problemfall letzte Meile

Die Kehrseite der Medaille: das Geschäftesterben im Stadtzentrum. „Weil die Empfänger der E-Commerce-Logistik Millionen Haushalte vor allem in den Städten und nicht Unternehmen am Stadtrand sind, werden Themen wie Citylogistik oder Last Mile Delivery Wirtschaft und Politik vor große Herausforderungen stellen“, warnt der Re/Max-Experte. Denn selbst wenn führende Anbieter wie die Post komplett auf CO2-neutrale Zustellung setzen: Ein hohes Verkehrsaufkommen erzeugen auch elektrisch angetriebene Lkws. Derzeit liegt der Anteil von E-Commerce am gesamten Einzelhandel bei zehn Prozent.

INFO

Der Bestand an Logistikflächen in Wien und Umgebung beträgt laut Zahlen des Vienna Research Forum (VRF) rund 2,7 Millionen Quadratmeter – sprich, fast die Hälfte der insgesamt 5,5 Millionen Quadratmeter an Logistikflächen österreichweit steht in Wien sowie im Speckgürtel rund um die Hauptstadt. Laut CBRE sollen bis Ende 2020 an den drei wichtigsten Standorten Wien, Graz und Linz nochmals rund 350.000 Quadratmeter neu dazukommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2020)

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