Großbritanniens Regierung hat den Handelspakt Kanada–EU zu ihrem Ideal erkoren. Für Brüssel kommt das nicht infrage. Doch an diesem Missverständnis sind die Europäer mitschuldig.
Brüssel. Für programmatische Reden über die internationale Ausrichtung ihres Landes suchen sich britische Regierungsvertreter gern Orte im nahe gelegenen Ausland aus. Auch David Frost blieb Montagabend dieser Tradition treu. Der 54-jährige ehemalige Diplomat, der im Namen von Premier Boris Johnson über das künftige Verhältnis Großbritanniens zur Europäischen Union verhandeln wird, wählte für seine Grundsatzrede über die Zukunft nach dem Brexit den Festsaal der Université libre de Bruxelles aus.
In diesem akademischen Ambiente kam Frost rasch zur Sache: Die hundertprozentige Unabhängigkeit Großbritanniens von Vorschriften und Gesetzen, die von der EU gemacht werden, ist kein Faustpfand in den bevorstehenden Gesprächen, sondern „der Kern des ganzen Projekts“. Das Brüsseler Beharren auf regulatorische Aufsicht verletze demnach die durch den Brexit wiedererlangte Souveränität. Daraus ergibt sich für Frost die zwingende Notwendigkeit, eine Verlängerung der Übergangsperiode über den 31. Dezember 2020 hinaus abzulehnen – denn: „Warum sollten wir die volle Unabhängigkeit hinauszögern wollen?“