G20 einigen sich auf Abbau der Defizite

einigen sich Abbau Defizite
einigen sich Abbau Defizite(c) AP (Sean Kilpatrick)
  • Drucken

Europa behauptet sich gegen die USA: Bis 2013 sollen die Defizite halbiert werden. Keine einheitliche Linie konnte bezüglich der Bankenabgabe gefunden werden, eine globale Finanztransaktionssteuer ist tot.

Toronto.Besonders angenehm mag es für Angela Merkel nicht gewesen sein, all die Polizeikräfte in Toronto zu sehen. Eingesperrt zu sein in „Downtown Toronto“ war weder für die Politiker noch deren Entourage spaßig. Aber wenn es um die Ergebnisse geht, kann die deutsche Kanzlerin, die sich als eine Art Sprachrohr der EU profilierte, durchaus zufrieden vom Finanzgipfel in Kanada nach Berlin zurückkehren.

Wenn man vergleiche, was seit dem Londoner G20-Gipfel vor einem Jahr bei der Finanzmarktregulierung auf den Weg gebracht worden sei, „dann sieht man, dass wir zwar nicht am Ziel, aber in der Mitte der Strecke sind“. Beim Konflikt mit den USA um das ausgewogene Verhältnis von Haushaltskonsolidierung und Wachstumsförderung kann sie ebenfalls punkten und davon ausgehen, dass die Breitsalven aus den USA gegen Deutschlands Haushaltspolitik künftig unterbleiben.

Am Abschlusskommuniqué wurde bis zuletzt gefeilt, aber bei den Streitpunkten zeichnete sich die Richtung schon früh ab. Bei der Finanzmarktregulierung gab der Gipfel grünes Licht für regionale Regelungen. Gastgeber Kanada und die Schwellenländer lehnen es ab, die Banken an den Kosten für die Krisenbewältigung zu beteiligen. Die USA und die Europäer halten das für notwendig.

„Nein“ zu globaler Steuer

Immerhin, eine Klarheit hat Toronto in Sachen Bankenabgabe gebracht: Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premier David Cameron prüfen nun einen europäischen Alleingang. Zumindest die Euro-Zone solle einheitlich agieren, sagt Merkel. Dagegen musste Deutschland – und Europa – bei der Steuer auf Finanzmarkttransaktionen schon zu Beginn der Beratungen eine „negative Klarheit“ konstatieren. Die meisten anderen Teilnehmer lehnten sie rundweg ab. Nach Toronto ist es mehr als zweifelhaft, ob sie sich noch auf globaler Ebene realisieren lässt.

Eine Entscheidung über Liquiditäts- und Eigenkapitalanforderungen an Banken wurde in Toronto nicht getroffen. Im November sollen beim nächsten G20-Treffen in Seoul dazu Beschlüsse gefasst werden. Bis dahin werden in Basel die Verhandlungen abgeschlossen sein, sodass die Staats- und Regierungschefs nur abzusegnen brauchen.

Tagelang arbeiteten die „Sherpas“, die für die Regierungschefs die Verhandlungen leiten, daran, beim zuletzt heikelsten Streitpunkt zu einer Verständigung zu kommen – dem Verhältnis zwischen Haushaltskonsolidierung und schuldenfinanzierter Konjunkturförderung.

Die Briefwechsel zwischen Berlin und Washington hatten Fronten zwischen der Spar-Kanzlerin und dem eher zu Schulden bereiten Barack Obama entstehen lassen. Aber in Toronto wollten beide Seiten nach außen hin von Konfrontation nichts mehr wissen.

Von einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Sparen und Wachstumsförderung war die Rede. Gastgeber Kanada forderte von allen G20-Staaten eine Defizitreduzierung um 50 Prozent bis 2013 und eine Stabilisierung oder gar Reduzierung der Schuldenquote bis 2016. Vereinbart wurde das Ziel für die reichen G20-Staaten, die Schwellenländer wurden ausgenommen.

Konkretes in Seoul

„Es gibt die gemeinsame Meinung, dass die Zeit der großen Konjukturprogramme vorbei ist und dass wir jetzt alle in den Ausstieg hineingehen müssen“, resümiert Merkel. Am Pranger stand die EU in Toronto nicht. Dass neue Attacken auf die Haushaltspolitik der Europäer kommen, wird in Delegationskreisen ausgeschlossen.

Als „Übergangsgipfel“ wurde das Treffen von Toronto bezeichnet: Entscheidungen wurden vorbereitet, die dann in Seoul in ihre endgültige Form gegossen werden sollen. Er fand aber auch in einer Zeit des Übergangs von der Finanz- und Wirtschaftskrise zu einer Phase des – immer noch fragilen – Wirtschaftswachstums statt.

Als Gremium muss sich die G20 erst finden. Während sich die kleinere G8-Runde trotz des Störfaktors Russland als „gleichgesinnt“ definiert, sind die G20 mit den Schwellenländern China, Brasilien und Indien noch weit entfernt von einem Basiskonsens, der über die Krisenbewältigung hinausgeht. Wenn die Krise gemeistert und die Finanzmärkte reguliert sind, muss die G20 nachdenken, wie sie ihre weitere Existenz rechtfertigt.

AUF EINEN BLICK

MeinungSeite 27■Der G20-Gipfel in Toronto brachte nur wenige konkrete Ergebnisse. Die entwickelten Industriestaaten wollen bis 2013 ihre Budgetdefizite halbieren und bis 2016 ausgeglichen bilanzieren. Eine globale Finanztransaktionssteuer dürfte vom Tisch sein, eine Bankenabgabe kommt nur in der EU und den USA. Die Doha-Welthandelsrunde wird auch heuer nicht abgeschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

G20 Toronto Ausschreitungen
International

Gewaltsame Ausschreitungen bei G20-Gipfel in Toronto

Die G20-Staaten haben sich überraschend auf eine Halbierung des Defizits bis 2013 geeinigt. Überschattet wurde der Gipfel von Krawallen. 400 Personen sind von der Polizei festgenommen worden.
Wirtschaftskommentare

Ein Gipfel an "negativer Klarheit"

Die G20 lieferten in Toronto ein Schauspiel der Ohnmacht. Daran ändert auch die gut verkaufte Einigung über Defizite und Schulden nur wenig.
China zeigt sich offen für Diskussionen über Yuan.
International

China zeigt sich offen für Diskussionen über Yuan

Kurswechsel: China zeigt sich bei dem G20-Gipfel in Toronto offen, den Yuan flexibler zu machen und die heimische Nachfrage zu stärken. Die G20-Staaten begrüßen diese Bemühungen.
G8Gipfel Tapfer laecheln statt
International

G8-Gipfel: Tapfer lächeln statt böse streiten

Sparen oder Wachstum auf Pump? Die heftige Kontroverse zwischen EU und USA löste sich auf dem G8-Treffen in Kanada in gespieltes Wohlgefallen auf. Merkel holte sich mit ihren Plänen eine Abfuhr.
Fuenf fuer Kinder Muetter
International

Fünf Mrd. für Kinder und Mütter

Die G8-Mittel gegen Kinder- und Müttersterblichkeit reichen nicht, sagen NGOs.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.