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Justin Bieber: Ein Ex-Kinderstar feiert die Ehe

Joe Termini, Universal Music
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Zwar spielte er drei Duette mit aktuellen Rap-Superstars ein, aber sonst beugt sich das ehemalige Teen-Idol auf seinem fünften Album nicht dem Erfolgsdruck.

Mit seiner neuesten modischen Errungenschaft, einem mittelstarken Schnauzer, sieht er Thomas Brezina verblüffend ähnlich. Wie dieser ist Justin Bieber offenbar seiner Kindheit nie wirklich entwachsen und wundert sich über den Wandel. Erwachsenwerden ist nicht immer einfach. Eben noch war er der Liebling aller Mamis und ihrer Töchter, dann entwickelte er sich unversehens zum Pöbler, Drogenmissbraucher und Trinksportler.

Ein paar Jahre lang gefährdete sich das einstige Teenageridol massiv selbst. Jetzt gibt er auf seinem fünften Album, „Changes“, den geläuterten Ehemann eines Models namens Hailey Baldwin. Die Popgeschichte kennt fürwahr dramatischere Geschichten zum Thema „Verlorener Sohn“. Aber bei so früh in die Starmanege gestolperten Wesen sollte man genauer hinschauen.

Feine Vormittagsmusik

Die innere Veränderung rief bei Bieber offenbar nach Sichtbarmachung in Form von Tätowierungen. Mit so einer martialischen Anmutung lässt es sich leichter gesanglich sanfteln, weil ja jene, die durchs Feuer gegangen sind, mit Fug klagen dürfen. Biebers larmoyanter Musikstil ist ein zuweilen mit einer Prise Trap gewürzter Mid-Tempo-R&B, den Fans „R&Bieber“ nennen. Feine Vormittagsradiomusik, aber nichts, was das Gemüt wilder aufkräuseln könnte.

Auf „Changes“ werden Botschaften eines innerweltlich – diesfalls durch Eheschließung – Erlösten kommuniziert, durch Soundsignale eines durch die Tröstungen des Luxuslebens sedierten Gemüts. Für große Teile der perfekt designten Musik ist einmal mehr der Afroamerikaner Jason Boyd verantwortlich. Er ist besser bekannt unter seinem Spitznamen Poo Bear und hat in der Vergangenheit nicht nur mit Bieber, sondern auch mit Juanes, J Balvin und Skrillez an Hits gebastelt.

Bieber fühlt sich an Poo Bears Seite hörbar sicher. Trotz blasser Inhalte intoniert er beseelt. In „Available“ lockt er in der Rolle des verwöhnten Liebhabers, der Exklusivität vorspiegelt. „I'm available, yeah, for you I am“, heißt es da im flötenden Gestus zu elastischen Beats. Zu desperat will er nicht tönen, dennoch wird es am Ende flehentlich: „Say I'm number one on your to-do list.“

Was das Geschäftliche anlangt, zeigt sich der in einigen Passagen doch recht weinerliche Bieber entschieden professionell. Duette mit angesagten Rappern wie Quavo, Travis Scott und Post Malone waren Pflicht. In „Second Emotion“ bekommen die Protagonisten, denen Bieber und Travis Scott ihre Stimmen leihen, Schleudertraumata vom permanenten Ausschauhalten nach potenzieller erotischer Beute. „I got whiplash from me turnin' my head“, heißt es zu Beats, die klingen wie aus einer Spielkonsole der späten Achtzigerjahre. Es endet in frisch entfachter Liebesblödigkeit: „Struck a match, you got me litty, like La, la, la, la.“

Um die Prolongation des Glücks geht es in „Forever“, das Bieber gemeinsam mit Erfolgsrapper Post Malone schultert. Verspielte Rhythmen, simpler Rhythmus und eine Stimmführung, die die Ruppigkeiten eines Lebens widerhallen lässt, das viel zu früh auf Dienstleistung genormt war. Bieber hat seine prägenden Jahre vergeudet, um anderen zu gefallen. Um so logischer ist jetzt der Rückfall zur Nabelschau in den ausführlich um sein Ego kreisenden Songs auf „Changes“.

Spenden an ein Frauenhaus

Unter Ego muss auch der zur Schau gestellte Altruismus im Video zu „Intentions“ rubriziert werden. Zunächst erzählen Frauen von den Problemen, die sie in die Sozialinstitution Alexandria House in Los Angeles geführt haben. Dann setzt Biebers Gesang ein, und man sieht ihn die vom Schicksal gebeutelten Menschen dort besuchen, ihnen sogar Autoschlüssel überreichen. Insgesamt hat er 200.000 Dollar für dieses Frauenhaus gespendet. Darüber wollte er nicht nobel schweigen. Seine so plakativ verkündete Mitmenschlichkeit wird ihm wohl doch noch von einer unsichtbaren Jury von den Karmapunkten abgezogen werden müssen.

Positiv daran ist, dass der aus den Nebeln der Superstar-Existenz herabgestiegene Bieber seine Umwelt wieder realistisch wahrnimmt. Zuweilen erkennt er sogar, wie privilegiert er ist. Die irrationalen Ängste, die ihn lang plagten, sind verschwunden. War er früher völlig ohne Agenda, so feiert er jetzt sowohl Ehe wie breiter angelegte Nächstenliebe. Offenbar hat da eine Art Heilprozess begonnen. Das freut die Langzeitfans, die dafür sogar sinnentleerte Zeilen wie „Yeah you got that yummy, yum“ in Kauf nehmen.

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