Regierung und Gewerkschaft wollen den Onlinehändler bei Verfehlungen seiner Lieferpartner stärker in die Pflicht nehmen.
Wien. Die Affäre um mögliche Schwarzarbeit bei Logistikpartnern von Amazon in Österreich zieht weitere Kreise. Wie „Die Presse“ exklusiv berichtete, filzte die Finanzpolizei am Dienstag mit einem Großaufgebot das Verteilzentrum des US-Konzerns in Großebersdorf. Im Visier standen die Transportunternehmen, die im Auftrag von Amazon Pakete in Wien ausliefern. 174 Dienstnehmer bei 36 Betrieben seien kontrolliert worden, dabei seien 49 Verstöße gegen das Arbeitsrecht festgestellt worden. Gegen Amazon selbst wird nicht ermittelt.
Am Mittwoch nahmen Regierung und Gewerkschaft dennoch nicht nur die Transportunternehmen, sondern auch den Onlineriesen in die Pflicht. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sagte, er erwarte sich mehr Sorgfalt. „Auch wenn es sich dabei um Subfirmen von Amazon handelt: Die unternehmerische Verantwortung kann nicht bei der Warenausgabe abgegeben werden. Ich erwarte mir eine besondere Sorgfalt gerade von großen Internetkonzernen“, hieß es nach der Ministerratssitzung. Es bestehe der Verdacht auf gewerbliche Schwarzarbeit, „das ist kein Kavaliersdelikt“, betonte er.
„Die Presse“ war während der Razzia am Dienstag zufällig vor Ort. Sowohl das lokale Management als auch die Amazon-Mitarbeiter zeigten sich während der zweistündigen Razzia hoch kooperativ. Auch offiziell sicherte das Unternehmen den Behörden maximale Zusammenarbeit zu und versprach, hart gegen schwarze Schafe durchgreifen.
Vorbild Baubranche
Doch nicht alle wollen sich damit zufriedengeben. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian forderte eine „Auftraggeberhaftung“ Amazons, wie es sie in der Baubranche gibt. Dabei müsse der Generalunternehmer für die gesamte Auftragskette sicherstellen, dass alle Beiträge und Abgaben korrekt gezahlt werden. Durch die Razzia sei „sehr, sehr deutlich geworden, wie das System Amazon funktioniert“. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch rief nach härteren Strafen gegen Lohn- und Sozialdumping. Auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger ortete „dringenden Handlungsbedarf“, da geltende Strafbestimmung aufgrund von EuGH-Urteilen häufig zahnlos seien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2020)