Gericht

Streit um Rothschild-Erbe

Aus dem historischen Stiftungsbrief vom 28. Februar 1907.
Aus dem historischen Stiftungsbrief vom 28. Februar 1907.Faksimile „Die Presse“]
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Ein Nachfahre jenes Stifters, der einst Wiener Nervenkliniken finanziert hat, wirft der Stadt Wien stiftungswidriges Handeln vor.

Wien. Es war eine gewaltige Summe. 20 Millionen Kronen stiftete die Familie Rothschild 1907 für wohltätige Zwecke. Gegenwärtig wären das zwischen 120 und 140 Millionen Euro. Das damals in eine Stiftung eingebrachte Geld diente der Errichtung zweier Kliniken – eine davon war die Nervenheilanstalt am Rosenhügel in Wien Hietzing.

Diese existiert bis heute – als Neurologisches Zentrum Rosenhügel im Krankenhaus Hietzing. Doch nun muss ein Gericht über die Zukunft der Einrichtung entscheiden. Eine spannende Angelegenheit – aus historischem Blickwinkel: Im 19. Jahrhundert, auch noch im früheren 20., galten die Rothschilds als eine der reichsten Dynastien der Welt. Der Wiener Zweig der jüdischen Unternehmerfamilie brachte einen bedeutenden Stifter hervor: Albert Freiherr von Rothschild (1844–1911).

Er gründete in Erfüllung eines großen Wunsches seines 1905 verstorbenen Bruders Nathaniel Meyer Freiherr von Rothschild die eingangs erwähnte Stiftung (Nathaniel Freiherr von Rothschild'sche Stiftung für Nervenkranke). Somit war Wien in der Lage, zwei medizinische Institutionen zu gründen, eine im Maria-Theresien-Schlössel (19. Bezirk) und eben die Heilanstalt am Rosenhügel. 1939 wurde die Stiftung von den Nazis aufgelöst. 1956 wurde sie wiederhergestellt. Doch das im Sinn der Rothschilds eingesetzte Expertenkuratorium, welches die Geschicke der Kliniken lenken sollte, wurde nicht wieder eingesetzt. Die Stadt Wien bzw. der Magistrat verwalteten fortan das Stiftungsvermögen.

Ruf nach altem Kuratorium

2002 verkaufte Wien als Stiftungsverwalterin das Maria-Theresien-Schlössel um 6,7 Millionen Euro an die Stadt, also an sich selbst. Die Neurologie wanderte ins Otto-Wagner-Spital. Um dem Zentrum Rosenhügel ein ähnliches Schicksal zu ersparen, reiste nun Geoffrey R. Hoguet, der Urenkel von Albert Freiherr von Rothschild, von New York nach Wien. Und erklärte am Mittwoch sein Vorhaben.

Für die Stiftung müsse wieder ein unabhängiges Kuratorium eingesetzt werden – darin sollten sich neun Personen wiederfinden, die im Sinn der Familie Rothschild agieren. Auch solle der Name Rothschild im Zusammenhang mit der Klinik am Rosenhügel wieder in Erinnerung gerufen werden. Hoguets Anwalt Wulf Gordian Hauser hat daher Anträge an das Bezirksgericht (BG) Hietzing verfasst. Dieses Gericht ist als Pflegschaftsgericht für die Stiftungsbegünstigten zuständig. In dem (der „Presse“ vorliegenden) Antrag heißt es, Stadt-Wien-Organe hätten „bereits bei der Rekonstruktion der Stiftung das Gesetz und den Stiftungszweck gröblich missachtet“. Am Donnerstag findet die erste Tagsatzung im BG Hietzing statt.

Die Stadt Wien (diese wird von Anwalt und Ex-SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim vertreten) weist indessen darauf hin, dass die Kliniken – nach Wiederherstellung der Stiftung – nicht mehr genug Kapital gehabt hätten, um gemeinnützig tätig sein zu können. Ebendies war aber im Sinn des Stifters, er wollte mittellosen Kranken helfen.

Wiens SPÖ-Gesundheitsstadtrat, Peter Hacker, hatte im Landtag gemeint, er habe Respekt vor der Geschichte und vertraue darauf, dass die Stadt seinerzeit richtige Entscheidungen getroffen habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2020)

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