Morgenglosse

Beim Geld hört die Freundschaft auf

Der EU-Haushalt wird zum Lackmustest für den Bundeskanzler: will er Österreich näher an Nordeuropas liberale Sparmeister rücken - oder an die autoritär geneigten Subventionsempfänger im Osten?

Wenn Europas Staats- und Regierungschefs nun mit offenem Ende um den künftigen Haushaltsrahmen der Europäischen Union bis zum Jahr 2027 ringen, geht es nicht nur ums Geld. Ein Budget ist, wie so oft geschrieben und gesagt wird, in Zahlen gegossene Politik. Insofern wird sich in diesem Mehrjährigen Finanzrahmen ausdrücken, wie sehr die nationalen Regierungen darauf vertrauen, dass die EU als Träger ihrer politischen Ambitionen innerhalb und außerhalb von Europas Grenzen taugt (um etwaige Illusionen zu vermeiden: nicht sehr).

Der Brexit verschärft diese politische Signifikanz des europäischen Haushaltsstreites. Denn der Wegfall des zweitgrößten Nettozahlers lässt die weltanschaulichen und wirtschaftspolitischen Unterschiede der Mitgliedstaaten noch stärker ins Relief treten. Wenn es weniger zu verteilen gibt, schreien jene, die besonders davon abhängig sind, umso lauter. Wen wundert es folglich, dass Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zwei Tage vor dem Gipfeltreffen in einem Gastbeitrag für die „Welt“ wundersamerweise den Wert des Adjektivs „solidarisch“ entdeckt? In anderen politischen Fragen - beim Klimaschutz oder der Aufnahme von Asylwerbern - möchte er von europäischer Solidarität bekanntlich nichts hören.

Insofern wird dieser Gipfel für Bundeskanzler Sebastian Kurz zu einem ideologischen Lackmustest. Wem steht er näher? Den nord- und westeuropäischen Nettozahlern und liberalen Handelsnationen Niederlande, Schweden und Dänemark, mit denen er auf den Seiten der „Financial Times“ für ein kleineres EU-Budget warb? Oder den autoritär und zusehends antiwestlich geneigten Nettoempfängern Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei, denen er erst vorigen Monat in Prag als „Brückenbauer“ die Aufwartung machte? Beides gleichzeitig verbietet die Logik. Wenn Kurz (in der Sache zu Recht) „Einsparungspotenzial“ bei Regionalförderungen in Osteuropa ortet, darf er im Gegenzug aus dieser Ecke Europas keine große Unterstützung in Fragen erwarten, die von vitalem Interesse für Österreich sind - zum Beispiel bei der Transitpolitik. Oder bei der Frage, wie mit den Atomkraftwerken an Österreichs Grenzen verfahren wird. Beim Geld hört sich schließlich jede Freundschaft auf.

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