Die Ich-Pleite

Die Göttlichkeit im Wetter

(c) Carolina Frank
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Der letzte Rest Göttlichkeit verschwand in den Neunzigern mit der Einführung des Genderwetters.

Im antiken Griechenland glaubten die Menschen, dass der Göttervater Zeus Blitze schleudert und Donner grollen lässt. Meistens als Strafe für das unerwünschte Benehmen ehemaliger Lieblinge. Im Christentum übernahm Petrus den Wetterdienst. Für Gott wäre diese Aufgabe wahrscheinlich zu mickrig gewesen. Mit der Zeit wurde die Stellung von Petrus allerdings immer wackliger. Parallel zu seinen Nachfolgern auf Erden, fürchte ich. Während des Zweiten Weltkriegs sollen US-Meteorologen damit begonnen haben, Taifunen im Pazifik weibliche Vornamen zu geben. Wahrscheinlich, um die Jungs „da draußen“ ein bisschen aufzumuntern.

In den Fünzigerjahren verbannten die Meteorologen der Freien Universität Berlin alle zürnenden Götter aus dem Wettergeschehen, indem sie auch den Hochs Namen gaben. Der letzte Rest Göttlichkeit verschwand dann in den Neunzigern mit der Einführung des Genderwetters. Im einen Jahr erhielten die Hochs weibliche Vornamen und die Tiefs männliche, im nächsten Jahr war es umgekehrt. Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an die „Orkaninnen“ Vivian und Wiebke (1990) erinnern. Oder an die Stürme Niklas (2015) und Friederike (2018). Inzwischen ist wieder ein bisschen Göttlichkeit ins Wetter zurückgekehrt, denn jeder kann für einen überschaubaren Betrag Pate von einem Hoch oder Tief werden.

Hochs sind teurer. Vermutlich wegen des göttlichen Moments, in dem man seiner WhatsApp-Gruppe „Eine Woche Sonnenschein“ schicken kann anstatt nur ein hundsnormales Sonnensymbol. Aber seit Sabine vorletzte Woche durch halb Europa gestürmt ist, prognostiziere ich den Tiefs bessere Aussichten. Denn eines ist sicher: Mit einem Tief schafft man es leichter in die Schlagzeilen.

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 21.02.2020)

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