Studie

Österreicher erwarten, viel länger zu arbeiten

Bauarbeiter errichtet eine Ziegelmauer, McPBBO *** Construction worker builds brick wall, McPBBO McPBBO
Bauarbeiter errichtet eine Ziegelmauer, McPBBO *** Construction worker builds brick wall, McPBBO McPBBOimago images/McPHOTO
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Gallup Institut und Wifo verglichen Meinung und Erwartungen der Österreicher hinsichtlich des Pensionssystems mit den volkswirtschaftlichen Fakten und Prognosen. Das Ergebnis: Die Menschen sind bereiter für Reformen als die Politik.

Wien. Wohl kaum ein Bereich wird von internationalen Institutionen wie OECD oder IWF an Österreich so häufig kritisiert, wie das Pensionssystem. Die Österreicher würden zu früh in Pension gehen und die Pensionsleistungen des Staates seien im internationalen Vergleich sehr großzügig, so die Kritik zusammengefasst. Die heimische Politik nimmt sich des Themas dennoch nur zögerlich an. Wie schon unter türkis-blau ist das Thema auch im türkis-grünen Regierungsprogramm nur ein Unterpunkt. Eine konkrete Reform ist in der aktuellen Regierungsperiode nicht vorgesehen.

Erklärt wird diese Zurückhaltung von politischen Analysten mit der „Gefährlichkeit“ des Themas. Mit Pensionsreformen gewinne man keine Wahlen, habe aber gute Chancen sie zu verlieren. Das Thema sei schlicht unpopulär. Dass dem aber nicht unbedingt so sein muss, zeigt nun eine Studie des Wifo in Zusammenarbeit mit dem Gallup Institut. Dabei wurde im Rahmen von Umfragen die Meinung der Österreicher zum Pensionsthema eingeholt und anschließend mit den Fakten und Prognosen verglichen.

Arbeiten bis 68?

Und dabei zeigt sich, dass die Österreicher schon längst davon ausgehen, in Zukunft wesentlich länger arbeiten zu müssen. So erwarten die Befragten im Schnitt, dass das gesetzliche Pensionsantrittsalter für Männer im Jahr 2060 bei 68,4 Jahren liegen wird, jenes für Frauen bei 65,4 Jahren. Das tatsächliche Antrittsalter wird laut den Erwartungen in der Bevölkerung mit 67,3 Jahren für Männer und 64,3 Jahren für Frauen nur mehr leicht darunter liegen.

Die Österreicher gehen somit von einer deutlich stärkeren Verlängerung der durchschnittlichen Arbeitsjahre aus, als dies die Wifo-Prognosen aufgrund der aktuellen gesetzlichen Vorgaben zeigen. Demnach liegt das gesetzliche Antrittsalter im Jahr 2060 sowohl bei Männern als auch bei Frauen bei 65 Jahren. Das tatsächliche steigt laut den Prognosen jedoch selbst im besten Fall nur auf 63,5 Jahre für Männer und 63,2 Jahre für Frauen (siehe Grafik). „Die Menschen trauen der Politik also beim Thema Pensionsreformen mehr Mut zu, als es im Augenblick ersichtlich ist“, sagt dazu Wifo-Chef Christoph Badelt.

Die Erwartung künftiger Reformen sorgt auch dafür, dass die Mehrheit der Österreicher an eine weitere Finanzierbarkeit des Pensionssystems glauben. Nur 18 Prozent meinen, dass es langfristig kollabieren müsse. Und 23 Prozent erwarten, dass das Problem nicht so tragisch ist, weil die Zahl der Pensionisten nicht weiter ansteigen werde.

Bei letzterem sprechen die Fakten jedoch eine klar andere Sprache. So gehen die demografischen Prognosen davon aus, dass die Zahl der Pensionisten in Österreich in 40 Jahren zwischen 2,85 und 3,49 Millionen Menschen liegen wird. Im Vergleich zur aktuellen Zahl von 2,2 Millionen Pensionisten ist das eine Steigerung von bis zu 58 Prozent. Dadurch werden auch die Kosten für das Pensionssystem weiter wachsen, so die Zahlen des Wifo. Fließen heute 28 Prozent aller Staatseinnahmen (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger) in Pensionen, werden es im Jahr 2060 bis zu 34 Prozent sein, heißt es. Den höchsten Wert gibt es in den Szenarios mit einem sehr schwachen Wirtschaftswachstum (0,8 Prozent pro Jahr) oder einem starken Wachstum der Lebenserwartung (plus zehn Jahre). Ein Worst-Case-Szenario, in dem beide Faktoren miteinander kombiniert werden, wurde jedoch nicht berechnet. Hier würde das Ergebnis aber wohl wesentlich drastischer ausfallen.

Pensionen stiegen stärker als Löhne

Bei der Studie wurde aber auch die Einschätzung der Österreicher über die Vergangenheit abgefragt. Und dabei zeigt sich, dass die Entwicklung der Pensionen schlechter eingeschätzt wird als es der Realität entspricht. So meinen 21 Prozent der Befragten, dass die durchschnittliche Pension gesunken ist. Bei den durchschnittlichen Löhnen gehen nur elf Prozent davon aus, dass sie heute niedriger als vor 40 Jahren sind. In Wirklichkeit gab es in beiden Fällen eine reale Zunahme: bei den Löhnen um 0,6 Prozent pro Jahr, bei den Pensionen sogar um 1,3 Prozent pro Jahr. (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2020)

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