Fahrbericht

Ein Bentley Bentayga im Kleid eines VW

Der VW Touareg als R-Line mit dem optionalen Black-Style-Paket.
Der VW Touareg als R-Line mit dem optionalen Black-Style-Paket. (c) Norbert Rief (Norbert Rief)
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VW hat ein neues Flaggschiff: den Touareg mit Achtzylindermotor, der weit in die Oberklasse vorstößt – und Beweis dafür ist, dass man trotz mächtiger Motorisierung im richtigen Modell lieber gleitet statt hetzt.

Wien. Einige litten ja früher bei VW unter dem Image, eine Marke des Bürgertums zu sein: brav, bieder, vernünftig. Konzern-Patriarch Ferdinand Piëch wollte unbedingt die Oberklasse erobern und nahm dafür viel Geld in die Hand: Mit dem technisch fortschrittlichen und großteils handgefertigten Phaeton stieß VW Anfang der 2000er-Jahre in die Liga der automobilen Flaggschiffe der Konkurrenz von BMW und Mercedes vor (und auch der Konzerntochter Audi). Die Kunden freilich spielten nicht mit, sie griffen weiterhin lieber zum Passat, 2016 stellte VW den Phaeton nach Millionenverlusten ein.

Heute ist es günstiger, in der Topliga mitzuspielen, weil die verschiedenen Fahrzeuge der zwölf Marken des Konzerns teilweise aus einem Baukasten entstehen. Der Touareg beispielsweise. Er steht in der jüngsten Generation auf der gleichen Plattform wie der Bentley Bentayga, der sich damit rühmen darf, mit dem Rolls-Royce Cullinan das teuerste Luxus-SUV der Welt zu sein (der Einstiegspreis der steuergünstigen Hybridversion liegt bei 174.000 Euro).

Der Monitor für das Navi erinnert in der Größe an einen Fernseher. Über ihn steuert man sämtliche Einstellungen des Autos, der Lautstärkeregler (in der Mittelkonsole) ist aber Gott sei Dank analog.
Der Monitor für das Navi erinnert in der Größe an einen Fernseher. Über ihn steuert man sämtliche Einstellungen des Autos, der Lautstärkeregler (in der Mittelkonsole) ist aber Gott sei Dank analog.(c) Norbert Rief (Norbert Rief)

Cruisen im Comfort-Modus

Die Möglichkeiten, die das eröffnet, lässt sich VW nicht entgehen und macht nun aus dem Touareg mit einem mächtigen Vierliter-V8-Dieselmotor das neue Flaggschiff der Marke. Mehr oder weniger ein Bentayga für das Volk, wobei „Volk“ in dem Fall relativ ist: 125.000 Euro muss man in Österreich als Startpreis für das Bentayga-Feeling im VW hinlegen, knapp 160.000 Euro sind es für unser top ausgestattetes Testauto – mit dem man sich nebenbei auch zum staatlichen Wohltäter macht. Denn von dieser Summe kassiert der Finanzminister 51.118 Euro an Steuern und NoVA.

Was bekommt man für das Geld? Ein fahrbares Wohnzimmer – nicht nur, was die Größe betrifft: Der Touareg misst in der Länge 4,9 Meter, in der Breite (mit Spiegel) knapp 2,2 Meter und bietet innen dank eines Radstands von fast drei Metern so viel Platz wie eine Garçonnière in Tokio. Sondern auch, was die Abgeschiedenheit betrifft. Noch in kaum einem anderen Auto fühlten wir uns derart exterritorial, selbst vom großen Motor drang kein Geräusch in den gut gedämmten Innenraum.

Apropos großer Motor: Man könnte mit diesem V8 und den 422 PS ja einiges anstellen. Zum Beispiel in 4,9 Sekunden auf 100 km/h sprinten oder die Mitfahrer mit einem Drehmoment von 900 Newtonmetern in die Sitze pressen. Tut man aber nicht, weil einen der Touareg nicht dazu verleitet. Er ist trotz solcher Werte kein Sportwagen, sondern ein komfortabler Cruiser. Wir fuhren die meiste Zeit im Comfort-Modus, sanft getragen von der Luftfederung, und überließen dem Touareg auf der Langstrecke mit dem adaptiven Tempomaten samt Lenkassistenten sogar das Steuer.

In ein Flaggschiff gehört natürlich alles, was man im Konzern zu bieten hat. In unserem Fall waren das unter anderem eine Wärmebildkamera, die in der Nacht Menschen und Tiere erkennt, klimatisierte Vordersitze mit verschiedenen Massageprogrammen, LED-Matrixscheinwerfer, Sonnenschutzrollos und eine Soundanlage von Dynaudio, die so gut klingt, wie man es zu diesem Aufpreis erwarten darf (2138 Euro).

Unterm Strich addieren sich all die Zusatzausstattungen auf ein Gewicht von stolzen 2,5 Tonnen. Da überschreitet man mit einem Anhänger schnell die höchstzulässige Gesamtmasse von 3500 Kilogramm. Ein Führerschein der Klasse BE (bis sieben Tonnen) empfiehlt sich also, auch, um die 3,5-Tonnen-Anhängelast des Touareg auszunutzen – für den Wohnwagen oder den Pferdeanhänger (in dieser Klasse eher selten für Holztransporte). Eine Untersetzung bietet das optionale Offroad-Programm freilich nicht, die sei aber, erklärt VW, nicht notwendig, weil das Allradsystem jedes Rad unabhängig bewege.

Für das Gewicht und diesen Motor war der Verbrauch in unserem Test bescheiden: 9,4 Liter gönnte sich der Touareg, rein im Eco-Programm kamen wir sogar auf einen Schnitt von unter neun Litern. Das geht sich auch mit den strengen CO2-Grenzwerten aus – solang VW genug ID.3 verkauft.

VW TOUAREG V8 TDI

Maße. L/B/H: 4878/1984/1717mm. Radstand: 2904mm; Kofferraumvolumen: 810–1800 Liter; Wendekreis: 11,2 Meter (Allradlenkung).

Antrieb. V8-Dieselmotor mit 3956 cm3Hubraum; 310 kW/422 PS bei 3500 bis 5000 U/min.; Achtgang-Automatik mit Tiptronic; Allradantrieb; 0–100 km/h: 4,9 Sekunden; Vmax: 250 km/h (abgeregelt).

Verbrauch. NEFZ kombiniert: 7,4l/100 Kilometer; Testverbrauch: 9,4 Liter. CO2-Emissionen: 195 g/km.

Preis ab 125.000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2020)

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