Alles Walzer!

Die „Verrücktheit“ Opernball

Das Wiener Staatsballett (hier auf einem Foto von der Generalprobe). Ballettchef Manuel Legris tanzte zum Abschied mit.
Das Wiener Staatsballett (hier auf einem Foto von der Generalprobe). Ballettchef Manuel Legris tanzte zum Abschied mit. (c) REUTERS (LISI NIESNER)
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Auf dem Opernball war Koordination gefragt: Aida Garifullina, Piotr Beczala und die 144 Debütantenpaare mussten gleichzeitig singen und tanzen.

Nicht immer sind die Herausforderungen für Sänger akustischer Natur. Für Aida Garifullina und Piotr Beczala war es ihr Kleid, eng und mit langer Schleppe – schließlich wagten die beiden zu „Tanzen möcht' ich“ aus der „Csárdásfürstin“ ein paar Walzerschritte.

Zuvor hatte die Arie „Le lucevan le stelle“ aus der „Tosca“ auf dem Programm gestanden – seit seinem Rollendebüt an der Staatsoper im Vorjahr hatte der Startenor sie bei jeder Vorstellung wiederholen müssen. Den Opernball eröffnen zu dürfen sei etwas sehr Wienerisches, so Beczala, und „eine Nobilitierung“. Es sei „schön, die Atmosphäre zu schnuppern, diese Spannung, diese Verrücktheit“.

Eine Verrücktheit, die er nutzen wollte, um erstmals einen seiner Orden zu präsentieren. „Das finde ich sehr lustig“ – und als Wahlschweizer habe er sonst ja keine Gelegenheit. Er entschied sich gegen seine Gloria-Artis-Medaillen, die höchsten Kulturauszeichnungen seiner Heimat Polen (die um den Hals getragen werden müssten) und für sein Offizierskreuz. Für Beczala war es der erste Opernball überhaupt, bisher hatte er ihn allenfalls im Fernsehen verfolgt, „mit Sekt oder Champagner, Blini und Kaviar“.

Quasi Veteranin war Garifullina, die Sopranistin hatte den Ball schon 2015 einmal eröffnet. Nun auch ein wenig tanzen zu müssen schreckte sie nicht. „Ich habe viel getanzt, als ich klein war, ich habe Ballett gemacht.“ Außerdem habe sie eben erst am Bolschoi-Theater tanzen, ja selbst die Choreografie der Balletttänzer lernen müssen. „Das war cool – und ich glaube, das Publikum hat es gemocht, dass ich nach dem Tanz singen musste.“ Gleichzeitig tanzen und singen mussten/durften 144 Debütantenpaare.

Linksherz im Linkswalzer

Ihr „Lalala“ zu Johann Strauß' „Bauernpolka“ trug ebenso zur Stimmung bei wie die Tausenden kleinen Lämpchen an Logen und in Debütantinnensträußchen – mit dunkelvioletten Blüten der Kunstgärtnerei Doll und leuchtenden Monden hatten Organisatorin Maria Großbauer und Bühnenbildnerin Agnes Hasun zum Motto der „Königin der Nacht“ eine „verzauberte“ Stimmung kreiert.

Mit Sophia Windisch und David Haslinger waren unter den Debütanten zum ersten Mal zwei junge Menschen mit Herzfehler. Beiden leiden an einem Hypoplastischen Linksherzsyndrom, bei dem eine Herzhälfte fehlt, und haben einander als Kinder im Krankenhaus kennengelernt. Dass auch ein Paar mit Downsyndrom von der „Ich bin OK Dance Company“ dabei war, ist fast schon Tradition.

Eine Premiere war das erste gleichgeschlechtliche Paar: Die Deutschen Iris Klopfer und Sophie Grau sind Schulfreundinnen; Grau bezeichnet sich als nicht binär, nicht ausschließlich männlich oder weiblich. Die beiden sagen, sie hätten sich aus Freude am Tanzen beworben; wollten aber die Aufmerksamkeit nutzen, um auf LSBTQ-Themen hinzuweisen. Und mit Maria Santner verkündete neuerdings eine Frau: „Alles Walzer.“
Die begehrte Mittelloge bevölkerten heuer, neben Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, vor allem türkise Minister. Kanzler Sebastian Kurz weilt ja auf dem EU-Budgetgipfel, dafür war Europaministerin Karoline Edtstadler mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, Margaritis Schinas, gekommen.

Außenminister Alexander Schallenberg ließ sich von seinen Amtskollegen aus der Schweiz und Liechtenstein begleiten. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hatte neben Gästen aus Kroatien und Nordmazedonien die deutsche Digitalisierungsministerin, Dorothee Bär, in die Oper gebeten, Finanzminister Gernot Blümel den (österreichischen) Chef der deutschen Drogeriemarkt-Kette Müller, Günther Helm, und den (deutschen) Chef der Wiener Börse, Christoph Boschan.
Von grüner Seite war Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek als „Hausherrin“ da (sie hatte tags zuvor das verwandelte Opernhaus erkundet). Aus Niederösterreich reiste Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner an, aus Salzburg Wilfried Haslauer (beide ÖVP), Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hielt die rote Fahne hoch. ÖVP-Innenminister Karl Nehammer wollte wie seine Vorgänger Polizisten besuchen, die den aus der Ära Desirée Treichl-Stürgkh (auch sie war gekommen) stammenden Vorbau auf dem Ring sicherten. Humor bewies Richard Lugners Gast, Ornella Muti: Sie bedankte sich bei Lindsey Vonn für die Absage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2020)

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