Gastkommentar

Was versteht die Regierung unter einer ökosozialer Steuerreform?

Noch ist die türkis-grüne Ansage zur Klimaneutralität 2040 nicht viel mehr als eine Ankündigung.

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Nun haben wir sie also – die türkis-grüne Koalition, die von vielen ja doch gegenwärtig nicht so schlecht gehandelt wird wie vor der Nationalratswahl im September vergangenen Jahres. Viele meinen, dass das Regierungsprogramm, das freilich nichts mehr und nichts weniger als eine politische Absichtserklärung ist, quasi durchgängig nicht nur eine türkise Handschrift hat, sondern in türkisen Leuchtfarben schillert.

Man sollte jedoch den Juniorpartner der Koalition nicht allzu leichtfertig als politisches und inhaltliches Fliegengewicht in der Regierung abtun. Denn die ökosoziale Steuerreform, wohl eine Anlehnung an die ökosoziale Marktwirtschaft, die wird erst gebaut und geschnitzt. Die Arbeitsgruppe (Taskforce), die sich damit bereits ab Februar beschäftigen und im ersten Halbjahr noch konkrete Ergebnisse bringen soll, hat als gemeinsamen und hoffentlich nicht geteilten Vorsitz sowohl die grüne Umweltministerin, man sei mit der Kurzbezeichnung des Ressorts bitte nachsichtig, als auch den türkisen Finanzminister.

Dieselprivileg, Pendler

Auch wenn die Ansage zur Klimaneutralität 2040 derzeit nur als eine solche zu sehen ist, da gegenwärtig nicht allzu viel Konkretes auf dem Tisch liegt, kann man schon die eine oder andere Tendenz ausmachen, nicht zuletzt aufgrund der jüngsten „Pressestunde“ mit der Umweltministerin, Leonore Gewessler (9. Februar 2020). Das Dieselprivileg müsse man sicher diskutieren. Ebenso das Pendlerpauschale, das ja auch die Hochverdiener begünstige. Das sei sozial nicht treffsicher und entspreche nicht einem ökosozialen Ansatz, so im Ergebnis die Ministerin. Ja, schon, es gebe Orte, wo um vier Uhr in der Früh keine Zugverbindung zum Arbeitsplatz bestehe. In der Tat, diese gibt es.

Einerseits will man dem Umweltgedanken entsprechen, denn dafür wurde die eine Partei schließlich gewählt. Andererseits schreibt sie sich aber auch eine gerechte Sozialpolitik auf die Fahnen. Der Aufschrei beim Angreifen des Pendlerpauschales wird mit Sicherheit groß sein, zumindest die Aufmerksamkeit bei diesem Thema. Vielleicht ist ein Pendlerpauschale abhängig vom Einkommen eine Lösung? Das könnte zu einem Dilemma mit den eigenen Prinzipien werden. Oder aber ein Problem mit dem Koalitionspartner: Denn das Dieselprivileg wurde wohl nicht wegen der Fuhrparks in Unternehmen eingeführt. Da geht es um die Landwirte, eine Kernschicht des türkisen Regierungspartners. Aber auch die Nahversorgung könnte sich verteuern, da nicht alles über die Schiene zeitnah geliefert werden kann. Und bei der Verteuerung der Nahversorgung wären wir wieder bei der Sozialpolitik angelangt. Ein Anliegen von beiden Playern.

Nicht umsonst, aber nicht gratis

Fakt ist, dass Umweltschutz und der Weg zur Klimaneutralität bis 2040 nicht umsonst, aber keineswegs gratis sein werden. Der EU-Außenbeauftragte, Josep Borrell, fühlte sich vor Kurzem zu einer Entschuldigung an die „Fridays for Future“-Bewegung veranlasst. Mit einer unglücklichen Formulierung zur Bewegung rund um Greta Thunberg sprach er aber einen veritablen Kern der Klimadiskussion an; es ist eine Sache, für den nötigen Klimaschutz einzutreten, es ist eine andere, dafür auch tatsächlich zu bezahlen und möglicherweise auf Selbstverständlichkeiten des heutigen Lebens entweder zu verzichten oder sich mit einer Verteuerung dieser konfrontiert zu sehen.

Ja, es ist kein leichtes Unterfangen, allen Stakeholdern und Prinzipien zu genügen.

Wir werden bald sehen und prüfen können, was die Regierung unter ökosozialer Steuerreform zu verstehen meint.

Mag. Stefan Schuster,LL.M. MBA MSc, ist Steuerberater in Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2020)

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