Retrospektive

Eine Pionierin des Filmrealismus

Der Zyklus „Lebenslinien“ handelt von Frauen-Schicksalen in vier Generationen. Hier Elisabeth, die ein Nationalsozialist  schwängert.
Der Zyklus „Lebenslinien“ handelt von Frauen-Schicksalen in vier Generationen. Hier Elisabeth, die ein Nationalsozialist schwängert.(c) Filmarchiv Austria
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Das Filmarchiv Austria widmet sich im Metro-Kino der Regisseurin Käthe Kratz. Ihre Arbeiten handeln von armen Mädchen, Ehefrauen, Frauenhandel und Flucht.

Maria Bill und Matthias Habich als Liebespaar, Johannes Silberschneider als Außenseiter, Julia Gschnitzer, Bernhard Schir, Kurt Sowinetz, Wolfgang Böck: Vielen bekannten Schauspielern begegnet man in der Retrospektive des Filmarchivs Austria über Käthe Kratz. Leicht hatte es die 1947 in Salzburg geborene Künstlerin nicht: Bei der Anmeldung auf der Filmakademie musste sie „tricksen“, verriet sie im Interview. Sie meldete sich für Schnitt an, kämpfte gegen Vorurteile von Professoren. Im ORF, der seinerzeit eine Monopolstellung bei der Filmproduktion hatte, waren Frauen höchstens für Schul- und Kinderfunk zuständig. Als Kratz gegen viel Widerstand ihr erstes Projekt, „Glückliche Zeiten“, durchgesetzt hatte, wurde sie von Generalintendant Gerd Bachers „rechter Hand“ vorgeladen. Dessen Botschaft: „Solang ich hier sitze, wird keine Frau Regie führen!“ Doch Unterstützung nahte.

Mit Blick auf Frankreich – und die USA

In den Siebzigerjahren verfilmte Dieter Berner Peter Turrinis und Wilhelm Pevnys „Alpensaga“. „Diese Kollegen halfen mir“, berichtet Kratz. Und so ist doch noch ein umfangreiches Œuvre entstanden, das vom langen und harten Weg der Frauenbewegung in Österreich erzählt. Aber nicht nur. Am heutigen Freitag (21. 2.) sind im Metro-Kino „Das zehnte Jahr“ – über eine verwitternde Lovestory, die durch Zusammenziehen gekittet werden soll – und „Glückliche Zeiten“ zu sehen: Sekretärin Anni heiratet Hannes, bekommt ein Kind, doch die Ehe geht schief. Eine Frauengruppe hilft Anni. Auch hier gibt es eine feine Besetzung: Erika Mottl, Otto Clemens, Gustav Ernst, Peter Turrini, Wolfgang Gasser. Die Kreisky-Zeit brachte einen großen Umbruch. Mit dem Heimatfilm war es zu Ende. Eine neue Generation setzte auf Realismus und eine revoltierende Jugend erhob im Gefolge von 1968 ihre Stimme. Wichtig war das Vorbild Frankreich. Truffaut, Lelouch, Godard und Italiens Neorealisten inspirierten Kratz.

Einige ihrer Arbeiten handeln von bis heute aktuellen Themen wie Mädchenhandel („Gekaufte Bräute“) oder Flucht („Vielleicht habe ich Glück gehabt“). Einige Filme sind fast Klassiker, es gibt Parallelen zu Michael Haneke, Ulrich Seidl, Karl Markovics. In „Atemnot“ (Musik: Konstantin Wecker) landen zwei Jugendliche in der Psychiatrie, Hintergrund sind die Turbulenzen um die Schließung des Jugendzentrums Gassergasse. Besonders spannend ist der Zyklus „Lebenslinien“, der vier Generationen Frauen folgt, von Augustine, Dienstmädchen in der Kaiserzeit, bis zu Marlenes „Amerikanischem Traum“. Kratz wird bei vielen Vorstellungen im Metro-Kino anwesend sein.

Die Retrospektive für Österreichs erste TV-Spielfilmregisseurin ist eine interessante Ergänzung zu Sabine Derflingers „Die Dohnal“, Doku über Österreichs erste Frauenministerin – in der Kratz im Übrigen auch kurz zu Wort kommt. Man sieht: Einiges ist doch weitergegangen für die Frauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2020)

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