Wissenschaft

Großprojekt zu mittelalterlicher Migration

Historiker, Genetiker und Archäologen in einem Boot.

Hunnen, Goten, Sueben, Gepiden, Langobarden, Awaren und Slawen, Franken und Bayern – zwischen Wien und Belgrad werden schriftlich rund 20 Völker bezeugt. Nun stehen 6000 Funde aus 100 Grabfeldern aus dem Karpatenbecken im Zentrum des internationalen und interdisziplinären Großprojekts HistoGenes. Das Besondere daran: Unter der Leitung von Walter Pohl, Historiker der Universität Wien und der ÖAW, wird die Mittelalterforschung erstmals um Methoden der Genetik und Archäologie erweitert.

Wanderung der Gene

„Es geht darum, die neuen Möglichkeiten der Analyse alter DNA zu nutzen, um mehr über die Bevölkerungsgeschichte Ost-Mitteleuropas zu erfahren“, so Pohl. „Wir untersuchen die Lebensumstände der Menschen in der bewegten Zeit der Völkerwanderung. Nirgendwo sonst in Europa sind von 400 bis 900 n. Chr. so viele Wanderungsbewegungen verschiedener Völker bezeugt wie im Karpatenbecken.“

Im Vordergrund stehen die Fragen nach den Auswirkungen der Migrationsbewegungen auf die Bevölkerung und nach der Größe der Veränderung in der Zusammensetzung der Bevölkerung. Darüber hinaus wollen die Forschenden Fragen nach dem Alltagsleben in den kleinen Gemeinschaften klären. Die Ergebnisse des mit zehn Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat geförderten sechsjährigen Projekts, das diese Woche in Wien präsentiert wurde, sollen viel über die unterschiedlichen Folgen von Migrationen im Allgemeinen verraten. Gleichzeitig will man den zunehmenden Tendenzen in einigen Ländern, die Genetik für den Versuch des Nachweises irgendwelcher nationaler Zugehörigkeiten politisch zu missbrauchen, etwas entgegensetzen. (APA/cog)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2020)

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