Gastkommentar

Mit Draken und Goldhaube die Lufthoheit durchsetzen

(c) Peter Kufner
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Gedanken zu der aktuellen Eurofighter-Debatte und der Entwicklung der Luftraumüberwachung der Zweiten Republik seit 1955.

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Im Jahr 1955 legten die abziehenden Besatzungsmächte die Verantwortung für die Wahrung der Souveränität in der Luft in die Hände der österreichischen Bundesregierung. Sie taten dies in der berechtigten Erwartung, dass Österreich die im Zuge der Staatsvertragsverhandlungen zugesagte Neutralität „nach dem Muster Schwedens und der Schweiz“ durchzusetzen bereit war. Die Sowjetführung reagierte empfindlich, als das dafür notwendige Instrumentarium nicht bereitgestellt wurde. So bot Verteidigungsminister Malinowski während der Suezkrise an, den Schutz der österreichischen Neutralität mit russischen Radarstationen und Abfangjägern zu gewährleisten.

Noch mehr zur Eurofighter-Causa im Podcast der "Presse":

In der aktuellen Folge von 18'48'' spricht Anna-Maria Wallner mit dem Wiener Anwalt und Offizier Georg Vetter. Eigentlich sollte er 2017 als Kurzzeit-Politiker für die ÖVP im zweiten Eurofighter-U-Ausschuss sitzen, veröffentlichte davor aber ein brisantes Buch zum Thema und wurde ausgeladen. Heute analysiert er die Causa und das Vorgehen der Ministerinnen Tanner und Zadic und er sagt: “Die ganze Sache wird uns so lange beschäften bis der letzte Eurofighter verrostet ist. Das ist wie eine Volkskrankheit des Landes

Nach zwei noch schärferen politischen Signalen aus Moskau begann man, auf dem Kolomansberg eine Radarstation zu bauen, und kaufte 30 Saab J-29 Tonne. Diese Unterschalljagdbomber waren aber nicht dafür geeignet, den massiven Luftraumverletzungen durch den Warschauer Pakt im August 1968 ernsthaft zu begegnen. Auch in den 1970er- und 80er-Jahren standen russische Aufklärungsflüge bis an die Donau auf der Tagesordnung. Aber die Saab 105, die die Tonne abgelöst hatten, waren noch langsamer als ihre Vorgänger.

Unter diesem Eindruck wurde mit der Entwicklung des damals europaweit modernsten Luftraumbeobachtungssystems begonnen. Die Goldhaube nahm 1987 den Betrieb auf. Ab 1989 stand den Luftstreitkräften mit dem Saab J-35 Draken das erste leistungsfähige Jagdflugzeug zur Verfügung. Es bewährte sich im Sommer 1991 in der Slowenien-Krise. Wann immer österreichische Draken über der südlichen Steiermark patrouillierten, hielten die Jagdbomber der Jugoslawischen Volksarmee deutlichen Respektabstand zur österreichischen Grenze.

Auch in den folgenden Krisenjahren stellte der Draken ein glaubwürdiges Instrument der Neutralitätspolitik dar. Die Überflüge der Nato im Zuge der Interventionen in Bosnien und Serbien wurden streng überprüft und auf Verletzungen der Überflugsauflagen diplomatisch reagiert. Als US-Bomber von England aus Angriffe im Irak flogen, wurden sie bei der Umrundung des österreichischen Luftraums regelmäßig durch Draken beschattet und vermieden es, eine Abkürzung zu nehmen. Jetzt war Österreich endlich anders aufgestellt als 1957.

Erster Eurofighter kam 2007

Im Juli 2007 landete der erste Eurofighter in Österreich, allerdings nicht in der ursprünglich bestellten Variante, sondern in Gestalt der technologisch älteren und nach dem „Darabos-Vergleich“ ausrüstungsmäßig stark abgemagerten Tranche 1. Das System erwies sich dennoch als teuer. Und die Piloten hatten nicht genug Flugstunden, weil die Maschinen aus Mangel an Ersatzteilen oft in der Fliegerwerft standen und das Geld für den Treibstoff fehlte. Die Zukunft der Tranche 1 ist ungewiss und bedarf laufend weiterer Investitionen.

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Luftraumüberwachung wurden immer wieder die gleichen vier grundlegenden Fragen gestellt. Drei davon konnten leicht beantwortet werden, eine hingegen war schwieriger. Die erste Frage war, ob Österreich überhaupt eine aktive Luftraumüberwachung brauche. Die Antwort ist Ja. Solang Österreich die Neutralität zur Grundlage seiner Sicherheitspolitik macht und weltweit Krisen eskalieren, wird es erforderlich sein, die Lufthoheit durchzusetzen. Mit einem nicht verhinderten Überflug ergreift ein Neutraler gleichsam Partei für eine Seite und setzt sich Revancheaktionen der anderen aus. Heute können das Brandflaschen gegen eine österreichische Botschaft sein, ein Feuerüberfall auf österreichische Soldaten im UN-Einsatz, eine Cyberattacke gegen ein Ministerium oder sogar eine Bombe in der Wiener U-Bahn.

Schutz vor Terrorangriffen

Ohne die glaubwürdige Fähigkeit, internationale Konferenzen oder große Sportevents gegen Terrorangriffe aus der Luft zu schützen, würde Österreich als Standort für derartige Veranstaltungen an Attraktivität verlieren. Das hätte sehr nachteilige Folgen für einen Staat, der die Beherbergung internationaler Konferenzen gern zum Wesenskern seiner Neutralität macht.

Die zweite Frage war oft, ob dazu überschallschnelle und gut ausgerüstete Abfangjäger benötigt würden. Auch hier ist die Antwort Ja, denn selbst die Reaktion auf einen terrorverdächtigen Flug eines modernen Airliners macht immer wieder Abfänge im Überschallbereich erforderlich. Hochfliegende Aufklärungsdrohnen sind überhaupt nur durch Abfangjäger erreichbar. Ein bewaffneter Trainingsjet kann nur einen beschränkten Teil der Luftraumüberwachung übernehmen. Der neutralitätspolitisch relevante Teil ist das aber nicht, und der Pilot würde nur wenig Chancen haben, die Begegnung mit einem unerwartet aggressiv agierenden Kampfflugzeug zu überleben.

Immer wieder wurde gefragt, ob die aktive Luftraumüberwachung nicht auch durch einen Nachbarstaat übernommen werden könnte. Hier lautet die Antwort Nein. Seit mehr als zehn Jahren schließen Staaten Verträge mit Nachbarstaaten ab, um bei Bedarf auch die Staatsgrenze überfliegen zu dürfen. Aber diese Kooperation beschränkt sich auf die rechtzeitige Identifizierung und Begleitung terrorverdächtiger ziviler Flugziele. Die Durchsetzung der Neutralität ist nirgendwo Gegenstand der Zusammenarbeitsvereinbarungen. Die vierte Frage, die häufig gestellt wurde, war warum Österreich das teuerste System für die aktive Luftraumüberwachung gewählt habe. Sie ist tatsächlich nicht leicht zu beantworten, denn die Entscheidung für das System Eurofighter Typhoon wurde getroffen, obwohl Dienststellen des Verteidigungsministeriums auf die erwartbar hohen Betriebsaufwendungen hingewiesen hatten.

Im Jahr 2017, als die von Verteidigungsminister Doskozil etablierte Sonderkommission Aktive Luftraumüberwachung tagte, betrugen die jährlichen Aufwendungen für die aktive Luftraumüberwachung und die dazu erforderliche Pilotenausbildung im In- und Ausland bereits hundert Millionen Euro. Ebenso schwierig wäre zu beantworten, warum seit Ende 2017 verabsäumt wurde, eine von der Sonderkommission aufgezeigte Lösungsvariante zu prüfen. Nämlich den Austausch des Eurofighter gegen ein in Summe von Leasing und Betrieb kostengünstigeres System. Entsprechende Angebote von Regierungen hat es gegeben.

Die Zeit drängt

Die neue Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, eine Entscheidung zu treffen. Sie will es dem Bundesheer ermöglichen, seine verfassungsmäßig vorgegebenen Aufgaben zur Wahrung der Neutralität und zur Gewährleistung der Sicherheit im Luftraum effizient zu erfüllen. Die Zeit drängt. Es würde nämlich mindestens zehn Jahre dauern, eine verloren gegangene aktive Luftraumüberwachung wieder neu aufzubauen. Niemand kann vorhersagen, ob uns die internationale Entwicklung die Zeit dazu geben wird.

Der Autor:

Gen-Mjr i. R. Karl Gruber (*1955), Studium an der Theresianischen Militärakademie, Ausbildung zum Einsatzpiloten. Später Einsatzpilot, Staffelkommandant, danach Chef des Stabs Luftraumüberwachung und Kommandant der Luftraumüberwachung. Bis 2018 Kommandant der Luftstreitkräfte beim Österreichischen Bundesheer.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2020)

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