Durch Istanbul geht bisher nur eine Meerenge. Nun will Präsident Erdo˘gan westlich davon eine zweite aus dem Boden stampfen lassen.
Kanal durch Istanbul

Noch ein Bosporus?

Zu den alten Mythen um den Eingang zum Schwarzen Meer soll sich ein neuer gesellen, der eines Kanals mitten durch Istanbul.

„Alle Brunnen der Tiefe brachen auf“, erzählt die Genesis (7, 11), „und die Schleusen des Himmels öffneten sich.“ „Mit der Gewalt von 200 Niagarafällen schoss das Wasser vom Mittelmeer ins Schwarze Meer“, setzten 1997 die Ozeanografen William Ryan und Walter Pitnam fort: Vor 8000 Jahren habe das Schmelzwasser der letzten Eiszeit das Mittelmeer so steigen lassen, dass es sich einen Weg – den Bosporus – zum Schwarzen Meer gebahnt und nicht nur dort Angst und Schrecken verbreitet habe, „hundert Kilometer weit“ sei das Rauschen zu hören gewesen (Marine Geology 138, S. 119). Das fand ein hallendes Medienecho, die Bibel hatte doch recht, die Sintflut war gefunden.

Die Fachwelt schüttelte die Köpfe: Eine Verbindung zwischen beiden Gewässern habe es früher schon gegeben – im Schwarzen Meer, das einst ein Süßwassersee war, haben sich 100.000 Jahre alte Fossilien von Salzwassermuscheln gefunden –, sie sei nur in der Eiszeit trocken gefallen. Und als dann wieder Wasser durch den Bosporus floss, habe es eher die Gegenrichtung eingeschlagen. Beides kann sich auch auf Mythen berufen: Als Zeus die Nymphe Io erst verführte und dann in eine Kuh verwandelte, musste sie durch die Meerenge, daher hat der Bosporus seinen Namen: Rinder- bzw. Kuhfurt.

Und als Jason und seine Gefährten hindurch wollten durch den Schlund, mussten sie sich in die Riemen legen, weil „ein wirbelnder Strom gegen das Schiff schlug“, so überlieferte es Appolonius Rhodius: Das Wasser kam vom Schwarzen Meer, über das brach die Apokalypse der Sintflut also eher nicht her. Aber eine andere könnte aus seinen Tiefen steigen: Dort lagern, zur Freude von Unterwasserarchäologen, die am besten erhaltenen Schiffswracks der Antike, zuletzt hat sich ein 2400 Jahre altes griechisches Handelsschiff in zwei Kilometern Tiefe gefunden, es ist fast alles noch da, vom Rumpf über den Mast bis zu den Gräten des letzten Fischmahls der Besatzung.

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