Crime-Serie „Dunkelstadt“

„Nicht nur: Hier ist der Flüchtling“

In „4 Blocks“ spielte er einen Verräter, in „Dunkelstadt“ ist Rauand Taleb der schwule Assistent mit Putzfimmel.
In „4 Blocks“ spielte er einen Verräter, in „Dunkelstadt“ ist Rauand Taleb der schwule Assistent mit Putzfimmel.ZDF und Sofie Silberman
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ZDFneo zeigt ab Mittwoch die Crime-Serie „Dunkelstadt“. Rauand Taleb spielt darin den Assistenten einer eigenwilligen Detektivin. Mit dieser farbenfrohen Figur emanzipiert sich Taleb: „Sonst spiele ich den Bösen, den Mörder, den Verräter.“

Doro Decker ist nicht die ganz typische TV-Ermittlerin. Sie trinkt. Sie raucht. Zu Beginn hängt sie an rosa Plüschhandschellen in einem Sadomaso-Keller. Berufsrisiko. Ungewohnt ist auch, dass man sie ständig mit sich selber sprechen hört. Wenn also Detektivin Decker (Alina Levshin) aus einer Laune heraus bei einem Jugendlichen eine Schnapsflasche konfisziert, um sie dann selbst zu trinken, hört sich das so an: „Wieder mal eine gute Seele gerettet – jeden Tag eine gute Tat.“ Dabei hat sie heute doch schon den entlaufenen Zuchthamster Hadrian aufgespürt.

In diesem mentalen Hoch in Episode eins der ZDFneo-Serie „Dunkelstadt“ (26. 2., 21.45 Uhr) wittert der junge Türke Adnan seine Chance, Assistent zu werden. Dabei will er nicht der schlauere Ermittler sein, sondern viel lieber putzen, aufräumen, Blumen gießen. „Adnan lebt in zwei Welten. Wenn er nach Hause geht, muss er seine Homosexualität versteckt halten. Er darf sich nicht von seinen Brüdern erwischen lassen. Aber bei Doro ist er frei und darf er selbst sein“, sagt Rauand Taleb über seine Rolle.


Auf nach Hollywood.
Adnan sei „so farbenfroh und positiv“, freut sich Taleb. „Sonst spiele ich immer den Bösen, den Mörder, den Verräter.“ In „4 Blocks“ etwa ist er der Spitzel im arabischen Familienclan. In „Nur eine Frau“ begeht er einen Ehrenmord. „Du bist ganz schnell in einer Schublade und wirst nur mehr als Koks-Dealer oder Flüchtling besetzt.“ Taleb will das nicht, er hat seine Fühler längst über die Grenzen hinweg ausgestreckt – bis nach Russland und nach Hollywood . . .

Dabei ist sein Lebenslauf jetzt schon ungewöhnlich: Taleb erlebte 1998 als Sechsjähriger die Flucht seiner Familie aus Kurdistan. Ein Trauma? Nicht für ihn. „Es war eine schöne Flucht, wenn man das überhaupt so sagen kann“, erzählt er: „Mein Vater wollte, dass wir gesund aufwachsen – ohne Attentate, Bombenanschläge, Katastrophen.“ Von der Türkei über Griechenland ging es mit der Fähre nach Italien, dann über Frankreich nach Deutschland. „Mein Vater hat gesagt: Wir machen Urlaub, aber wir bleiben etwas länger. Er wollte uns etwas Schönes zeigen. Wir haben uns auf ein neues Land eingestellt, uns vorbereitet und uns als Touristen ausgegeben.“ Die Flucht gelang, die Familie erhielt Asyl.

Taleb wuchs in Nürnberg auf, wo er noch immer gern sein Privatleben genießt. Beruflich reizt es ihn aber, „international zu denken, ich nehme an E-Castings teil und professionalisiere mein Englisch.“ Im US-Action-Thriller „Without Remorse“, der im September in die Kinos kommt, spielt er neben Michael B. Jordan. „Das ist eine große Nummer für mich, auch wenn es nur eine Nebenrolle ist.“ Taleb spricht in dem Film zum Teil Englisch, zum Teil Syrisch. Neben seiner Muttersprache Kurdisch beherrscht er Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch. „Ich drehe bald in Russland eine Serie, da spreche ich Türkisch, obwohl ich kein Wort Türkisch kann.“ Jetzt macht er einen Grundkurs. Noch mehr freut ihn, dass er in Simon Verhoevens Komödie „Nightlife“ mitspielt. „Haare gefärbt, deutlicher sprechen – und schon bin ich ein Deutscher. Es heißt also nicht nur: Hier ist der Flüchtling.“ Und bei allen Ambitionen: Deutschland würde er nie den Rücken kehren. „Das könnte ich nicht. Dafür bin ich den Deutschen viel zu dankbar.“

Hat er als Ausländerkind keine schlechten Erfahrungen gemacht? „Ich merke schon die Blicke in vereinzelten Ecken Deutschlands. Und man sieht, wie man behandelt wird. Bei der Wohnungssuche in Berlin habe ich rassistische Anfeindungen erlebt. Ich war verletzt, aber ich habe es mir nicht anmerken lassen. Es ist doch so: Menschen, die rassistisch oder böswillig sind, die werden nicht lang glücklich sein – das macht einen kaputt. Ich versuche das nicht an mich heranzulassen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2020)

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