Wort der Woche

Regeln für die künstliche Intelligenz

Europa will die künstliche Intelligenz einem detaillierten Regelwerk unterwerfen. Damit startet eine längst überfällige Diskussion.

Was genau unter „künstlicher Intelligenz“ (KI) zu verstehen ist, lässt sich nicht so einfach sagen – u. a. deshalb, weil der Begriff Intelligenz ziemlich unscharf ist. Eine gängige Definition beschreibt KI als „Systeme mit einem ,intelligenten‘ Verhalten, die ihre Umgebung analysieren und mit einem gewissen Grad an Autonomie handeln, um bestimmte Ziele zu erreichen“. KI-Systeme prägen unser Leben immer mehr, sei es als Sprachsteuerungen oder Suchmaschinen, sei es als Industrieroboter oder bei Assistenzsystemen in Autos. In einigen Bereichen sind sie dem Menschen längst überlegen – man denke z. B. an Schach oder an die Diagnose mancher Augenleiden. Mit ihnen gehen aber auch große Risiken einher, etwa drohende Jobverluste, Überwachung oder Ängste, von KI dominiert zu werden (à la „Zauberlehrling“). Dass diese Sorgen ernst zu nehmen sind, beweisen immer wieder staunenswerte Fehlleistungen von KI.

Sicher sind freilich zwei Dinge: Zum einen macht die Forschung rasante Fortschritte, und zum andern fällt Europa in dieser alles durchdringenden Technologie gegenüber China und den USA zusehends zurück. Es war höchst an der Zeit, dass die EU-Kommission diese Woche den Startschuss für eine europäische Daten- und KI-Strategie gegeben hat. Der Grundgedanke: Die digitale Zukunft Europas solle „das Beste widerspiegeln, das Europa zu bieten hat: Offenheit, Fairness, Vielfalt, Demokratie und Vertrauen“, hieß es. Und: Die Technologie müsse stets im Dienste der Menschen stehen.

Ein zentrales Ziel dabei ist die Schaffung einer „vertrauenswürdigen KI“. Die EU hat dazu einen Kriterienkatalog zur Diskussion gestellt, der von der Qualität der Daten über die Güte der Algorithmen und die Aufsicht durch Menschen bis hin zu Haftungs- und Sicherheitsfragen reicht. Vorgeschlagen wird, diese Kriterien verpflichtend für Hochrisikobereiche (wie etwa Gesundheit, Energie oder Polizei) und im Fall von möglichen Gefährdungen für Leib und Leben zu machen. In allen anderen Bereichen können sich Produzenten freiwillig diesen Standards unterwerfen und dafür eine Art Gütesiegel erhalten – der Konsument könnte dann eine informierte Wahl treffen, und Produkte aus Europa hätten dadurch einen starken Wettbewerbsvorteil.

Man darf hoffen, dass mit der EU-Initiative – bei der bis 19. Mai mitdiskutiert werden kann (https://ec.europa.eu/info/consultations?en) – die Zeit des Lamentierens vorüber ist und endlich ausdiskutiert wird, wie wir mit dieser Technologie umgehen wollen. Denn aufhalten lässt sie sich nicht.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2020)

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