Italien

Die Lombardei im Bann des Coronavirus

Codogno
CodognoAPA/AFP/MIGUEL MEDINA
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Binnen weniger Stunden starben in Norditalien zwei Menschen am Coronavirus, Neuinfektionen stiegen an. In mehreren Gemeinden steht das Leben still.

An anderen Tagen ist Codogno ein belebtes Städtchen mit malerischen Gassen und sehenswerten Kirchen. Da es südöstlich von Mailand auf der Strecke nach Piacenza liegt, wird es auch von Touristen gern besucht. Doch seit Freitag ist Codogno eine Geisterstadt – das „italienische Wuhan“, wie die italienische Tageszeitung Corriere della Sera schrieb. Nachdem ein 38-jähriger Mann vor Ort positiv auf das Coronavirus getestet wurde, haben die Behörden das Städtchen nahezu abgeriegelt. Züge halten nicht mehr am örtlichen Bahnhof. Die meisten Geschäfte, Bars, Sportzentren und Schulen sind für mindestens eine Woche geschlossen. Öffentliche Veranstaltungen wurden ebenso verboten wie Messen in Kirchen. Auch Arbeitnehmer müssen zu Hause bleiben. Sowieso wagt sich kaum ein Bürger mehr hinaus. „Keine Seele“ sei auf der Straße, alle Geschäfte seien zu, berichtete ein Bewohner der 15.000 Einwohner zählenden Gemeinde. „Es ist, als wären wir in Wuhan.“

Die Sorge vor dem Coronavirus hat ganz Norditalien erfasst. Denn nicht nur Codogno ist betroffen. Für mindestens zehn Gemeinden in der lombardischen Provinz Lodi gelten die Sicherheitsmaßnahmen, nachdem sich in der Region die Coronavirus-Fälle gehäuft hatten. Bis Samstagnachmittag wurden in Norditalien 42 Fälle gemeldet, konzentriert in der Provinz Lodi und im Raum Padua (Region Venetien). Zu den Betroffenen zählen auch mehrere Ärzte und Krankenpfleger.


Erster europäischer Todesfall. Zuletzt hatten sich in Österreichs Nachbarland die Ereignisse überschlagen. Innerhalb weniger Stunden sind zwei Menschen gestorben: Ein 78-jähriger Mann starb Freitagnacht, er ist der erste europäische Todesfall durch das Virus. Ein paar Stunden später wurde der Tod einer 75-jährigen Frau gemeldet.

Nach dem Ausbruch des Corona-Virus in Italien gelten in Österreich erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht, aber es gebe nach wie vor keinen Grund zur Panik, verlautete am Samstag das Gesundheitsministerium in Wien. „Wir haben in Österreich bisher bei 181 Verdachtsfällen Testungen durchgeführt, alle waren negativ.“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) äußerte sich besorgt über die Infektionsfälle, bei denen es keine klare epidemiologische Verbindung gibt. Viele Menschen hätten sich mit der Lungenkrankheit Covid-19 angesteckt, ohne dass sie nach China gereist seien oder Kontakt mit einer Person gehabt hätten, bei der das Coronavirus nachgewiesen worden sei, schrieb WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus auf Twitter. Mehr als 80 Prozent der Patienten hätten eine leichte Form der Krankheit und würden genesen. In 20 Prozent handle es sich um eine schwere Form, die teilweise zum Tode führe.


Neue Fälle in Südkorea und Iran. Südkorea meldete unterdessen 87 neue Infektionsfälle. Damit steige die Zahl auf insgesamt 433 Fälle, schrieb die Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden. Einen der bestätigten Infektionsfälle meldete der Elektronikkonzern Samsung in seinem Werk in Gumi. Die Niederlassung, in der Mobiltelefone hergestellt werden, sei geschlossen worden.

Auch Teheran meldete am Samstag zehn neue Infektionsfälle. Einer der Patienten sei gestorben, teilte der Sprecher des Gesundheitsministeriums mit. Insgesamt sind im Iran 28 Fälle bekannt, fünf dieser mit dem Coronavirus infizierten Menschen starben.

Chinesischen Angaben zufolge könnte die Inkubationszeit länger sein als die bisher angenommenen zwei Wochen. Ein 70-jähriger Mann in der Provinz Hubei habe sich mit dem Coronavirus infiziert, aber 27 Tage lang keine Symptome gezeigt. Eine längere Dauer von der Ansteckung bis zu den ersten Anzeichen der Krankheit könnte die Bemühungen erschweren, die Epidemie einzudämmen. ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2020)

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