Sars-CoV-2

Italien sagt Coronavirus den Kampf an

Ein Carabinieri bei Castiglione D'Adda, einer der abgeriegelten Städte.
Ein Carabinieri bei Castiglione D'Adda, einer der abgeriegelten Städte.REUTERS
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Die Regierung in Rom droht mit dem Einsatz des Militärs, will aber die Grenzen vorerst offen halten. Drei Todesopfer und mehr als 130 Erkrankungen wurden bisher registriert.

Rom/Mailand/Venedig. Die Schlangen an der Supermarktkasse sind an diesem Sonntag selbst in Rom länger als üblich. Die Einkaufskörbe sind vollgepackt mit Pasta, Reis und anderem Haltbaren. Jeder, der kurz hustet, wird sofort mit panischen Blicken bedacht. Die Nachrichten aus dem Norden Italiens haben auch die Menschen in der Hauptstadt stark verunsichert. In den vergangenen Tagen ist in einigen nördlichen Regionen die Zahl der Ansteckungen mit dem Coronavirus sprunghaft angestiegen. Bis Mittwoch waren im ganzen Land nur drei Corona-Fälle bekannt. Am Sonntagabend war bereits von 152 bestätigten Ansteckungen die Rede, mehr als in keinem anderen europäischen Land. Außerdem ist Sonntagabend ist in der lombardischen Stadt Crema das dritte Todesopfer gemeldet worden, das in Italien auf das Virus zurückzuführen ist. Dabei handelt es sich um eine krebskranke Patientin. Zuvor waren ein 78-jähriger Pensionist aus der Nähe von Padua und eine 75-Jährige aus der Provinz Lodi dem Virus erlegen.


Italiens Vize-Gesundheitsminister Pierpaolo Sileri warnte vor allzu großer Panik. Es mache keinen Sinn, „nun die Notaufnahmen zu verstopfen“. Entwarnung will und kann Sileri aber auch nicht geben: „Wir erwarten weitere Ansteckungen.“ Der Bürgermeister von Mailand, Giuseppe Sala, bat die Bevölkerung darum, Verständnis für die Maßnahmen aufzubringen.

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Bereits am Samstagabend hat die Regierung in Rom drastische Maßnahmen ergriffen und zehn Kommunen in Norditalien von der Außenwelt abgeschirmt. Etwa 50.000 Menschen sind davon direkt betroffen, besonders in der Provinz Lodi, etwa 60 Kilometer südöstlich von Mailand, und in der Stadt Vo in der Provinz Padua. Die Regionen würden abgeriegelt, so Ministerpräsident Giuseppe Conte. Wenn nötig, so ergänzt der Regierungschef noch in seinem öffentlichen Statement im Fernsehen, würden auch Streitkräfte eingesetzt. Wer versuche, sich den Anweisungen zu widersetzen und die Absperrungen zu umgehen, werde strafrechtlich verfolgt.

Die Regierung zeigt Entschlossenheit. Ob das hilft, wird sich wohl erst zeigen. Bereits am 31. Januar hatte Italien nach zwei bestätigten Corona-Fällen in Rom den nationalen Notstand ausgerufen. Vor allem, um in einer Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, schnell reagieren zu können. In der Stadt Codogno, wo der Herd dieses plötzlichen Ausbruchs in Norditalien vermutet wird, waren die Straßen am Sonntag menschenleer. Nach dem „Patienten 0“, dem Auslöser dieser Ansteckungswelle, wird währenddessen weiterhin fieberhaft gefahndet. Bisher ist der Ersterkrankte nicht bekannt. Dabei wäre dieser so wichtig, um den Weg des Virus so gut es geht nachvollziehen und weitere Ansteckungen verhindern zu können.

Aus Sorge vor Problemen mit den Lebensmittellieferungen wurden am Wochenende in und um Mailand (wie hier in Casalpusterlengo) Supermärkte von Kunden regelrecht gestürmt.
Aus Sorge vor Problemen mit den Lebensmittellieferungen wurden am Wochenende in und um Mailand (wie hier in Casalpusterlengo) Supermärkte von Kunden regelrecht gestürmt. REUTERS

„Wollen nicht zum Lazarett werden“

Um die Verbreitung des Corona-Virus dennoch einzudämmen, wurden am Sonntag weitere Maßnahmen ergriffen. So wurden im Norden des Landes vier Spiele der italienischen Fußball-Liga Serie A abgesagt, in der kommenden Woche bleiben die Schulen in den Regionen Lombardei, Venetien, und im Piemont geschlossen. Auch Universitäten und Museen schließen ihre Pforten, zahlreiche Groß-Veranstaltungen wurden abgesagt, darunter auch der weltberühmte Karneval in Venedig, der ursprünglich noch bis Dienstag andauern sollte. In der Lombardei werden vorerst auch keine Gottesdienste mehr gefeiert. Das Schengen-Abkommen, das unter anderem die Reisefreiheit in der Europäischen Union regelt, werde aber vorerst nicht ausgesetzt, erklärte Ministerpräsident Conte. Italien solle nicht zum Lazarett werden.

Das Land befindet sich in einer Schockstarre. Viele Menschen stockten an diesem Wochenende ihre Vorräte vorsorglich auf. In einer Apotheke im römischen Stadtteil Trastevere waren Gesichtsmasken komplett ausverkauft. Eine neue Lieferung sollte am Sonntagnachmittag eintreffen. „Jeder Kunde, egal was er sonst möchte, fragt auch nach den Masken“, sagte die Apothekerin.

Auch die Modewoche in Mailand, die an diesem Montag zu Ende geht, war von dem plötzlichen Ausbruch betroffen. Modeschöpfer Girogio Armani sagte seine Schau für den frühen Sonntagabend zwar nicht ab, lud aber das Publikum aus. Der Vorführung seiner neuen Damenkollektion konnte man nur via Live-Stream im Internet folgen.

APA

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