Recruiting

Zwischen Arbeitgebern und Bewerbern herrschen Missverständnisse

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Wie eine aktuelle Studie zeigt, gibt es zwischen Bewerbern und Arbeitgebern reichlich Gesprächsbedarf. Denn die Vorstellungen vom jeweils anderen unterscheiden sich mitunter erheblich.

Eigentlich sollten sie die Bedürfnisse der Kandidaten in- und auswendig kennen – und dennoch rekrutieren HR-Verantwortliche oft an den Interessen von Bewerbern vorbei. Das zeigt eine Umfrage von Stepstone Österreich, für die mehr als 1.100 Arbeitnehmer in ganz Österreich befragt wurden.

Führungskräfte und Personaler beurteilen Wünsche von Bewerbern zum Teil falsch. Große Auffassungsunterschiede gibt es etwa bei der Frage, wen Kandidaten im Rahmen des Bewerbungsprozesses kennenlernen wollen: Während Arbeitgeber dazu tendieren, jemanden aus der HR-Abteilung (45 Prozent), den künftigen Vorgesetzten (72 Prozent) oder gar den Geschäftsführer zum Bewerbungsgespräch zu bitten, wünschen sich mehr als drei Viertel (79 Prozent) aller Bewerber, dabei ihr künftiges Team kennenlernen. Das wiederum bietet lediglich die Hälfte aller Unternehmen an.

Gefährliche Missverständnisse

„Das kann für Arbeitgeber aber nach hinten losgehen“, warnt Barbara Oberrauter-Zabransky, Studienleiterin bei Stepstone Österreich: „Oft sind Führungskräfte ungeschult im Umgang mit Bewerbern und begegnen Kandidaten nicht auf Augenhöhe. Das kann Talente verschrecken.“

Kandidaten wollen nämlich genau wissen, wie die Firmenleitung tickt. Knapp die Hälfte der Bewerber (49 Prozent) hinterfragt vorab das Verhalten von Führungskräften oder Geschäftsleitung. Wie der Umgang mit diesen tatsächlich gelebt wird, verraten allerdings nur 39 Prozent aller Arbeitgeber. Eher werden unverfängliche Zusatzleistungen wie Firmenevents, Sachprämien oder Bonusprogrammen beworben. Wirklich interessieren tun diese Dinge jedoch nur eine Minderheit (16 Prozent) der Kandidaten. „Die wirklich wichtigen Dinge im Arbeitsalltag werden gern unter den Tisch gekehrt“, kritisiert Oberrauter-Zabransky. „Das kann zu unschönen Überraschungen am ersten Arbeitstag führen – auf beiden Seiten.“ 

Um möglichen Missverständnissen zuvorzukommen, hat sich in Österreich der Probetag etabliert: Knapp die Hälfte aller Unternehmen (47 Prozent) testet dabei, ob Bewerber und Unternehmenskultur zusammenpassen. „Ein paar Stunden am potenziellen Arbeitsplatz zu verbringen, kann durchaus zeigen, ob es menschlich passt“, sagt Oberrauter-Zabransky. Problematisch werde es allerdings, wenn der „Cultural Fit“ unzureichend oder gar nicht getestet wird: Immerhin jedes vierte Unternehmen ermittelt die Passung zum Team nicht standardmäßig.

Das könne sich rächen, sagt die HR-Expertin: „Wenn man bedenkt, wie viel von der erfolgreichen Zusammenarbeit im Team abhängt und wie wichtig Kandidaten und Bewerbern ihre potenziellen Teamkollegen sind, ist das Verhalten von HR-Verantwortlichen mehr als fahrlässig. Gerade im Kampf um die besten Köpfe vergessen viele, den menschlichen Aspekt zu beachten. Das rächt sich spätestens dann, wenn wieder mal ‚händeringend‘ nach Fachkräften gesucht wird.“

Einbindung in Recruiting empfohlen

Oberrauter-Zabransky rät Arbeitgebern daher, so früh wie möglich Mitglieder oder gleich die gesamte betroffene Abteilung in den Recruiting-Prozess mit einzubeziehen. „Immerhin sind sie es, die tagein, tagaus mit dem neuen Kollegen zusammenarbeiten müssen. Da sollten sie auch ein Wörtchen mitzureden haben - und auf der anderen Seite Kandidaten ein authentisches Erfahrungsbild aus der Abteilung vermitteln.“

Zur Studie: Stepstone Österreich zählt zu den führenden Recruiting-Unternehmen Österreichs und führt laufend Studien zu den Themen Employer Branding, Recruiting und Personalmanagement durch. Für die vorliegende Studie wurden im Sommer 2019 rund 1.100 ArbeitnehmerInnen aus ganz Österreich online befragt.

(Red.)

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