Anhörung im Assange-Prozess: Proteste vor Gerichtsgebäude

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Bei einer Verurteilung in allen 18 Anklagepunkten in den USA drohen dem gebürtigen Australier bis zu 175 Jahre Haft.

Vor einem Gericht in London kämpft Wikileaks-Gründer Julian Assange seit Montag gegen seine Auslieferung an die USA. Der 48-Jährige wirkte ruhig und konzentriert, als ein Vertreter der US-Justiz ihm vorwarf, mit der massenhaften Veröffentlichung von Geheimdokumenten Informanten
gefährdet zu haben. Im Falle einer Verurteilung in den USA drohen Assange 175 Jahre Haft.

„Julian Assange ist kein Journalist", sagte James Lewis zu Beginn
der Hauptanhörung in dem Auslieferungsverfahren, während vor dem
Gebäude zahlreiche Unterstützer ihre Solidarität mit dem
Wikileaks-Gründer bekundeten. Durch die illegale Veröffentlichung
sensibler Daten seien US-Informanten in Ländern wie dem Irak oder
Afghanistan in Gefahr gebracht worden, gefoltert oder getötet zu
werden, so Lewis.

„Kein faires Verfahren"

Edward Fitzgerald, der Anwalt von Assange, warnte unterdessen,
sein Mandant sollte nicht an die Vereinigten Staaten ausgeliefert
werden, da er dort kein faires Verfahren erhalten würde. Das
Auslieferungsersuchen sei eher von der Politik, als von echten
Verbrechen getrieben, sagte Fitzgerald weiter. Es wäre ungerecht und
bedrückend, Assange wegen seines Geisteszustandes und des
Selbstmordrisikos auszuliefern.

Der 48-jährige Australier wurde von zwei Sicherheitsleuten in das
Staatsgericht von Woolwich im Südosten Londons gebracht. In den
vollbesetzten Gerichtssaal drängten sich Unterstützer und
Journalisten. Die britische Justiz muss entscheiden, ob der
Auslieferungsantrag der USA eine Reihe rechtlicher Kriterien
erfüllt, verhältnismäßig und mit den Menschenrechten vereinbar ist.

Assange muss die ganze Woche vor Gericht erscheinen. Ab Mitte Mai
wird das Verfahren fortgesetzt. Bei einer Anhörung im vergangenen
Jahr hatte Assange gesagt, er wolle sich „nicht der Auslieferung
ergeben, nur weil ich Journalismus betrieben habe, der viele Preise
erhalten und viele Menschen geschützt hat".

Assanges Vater John Shipton prangerte eine „Unterdrückung des
Journalismus" an, die sich in der Strafverfolgung gegen seinen Sohn
manifestiere. Journalisten drohe dasselbe Schicksal, „sollte diese
politische Auslieferung von Julian Assange erfolgreich sein", warnte
Shipton.

Gelbwesten und Modedesignerin unter Demonstranten

Vor dem Gerichtsgebäude hielten Dutzende Demonstranten Banner mit
der Aufschrift „Free Assange" (Lasst Assange frei) in die Höhe. An
dem Protest gegen die Auslieferung Assanges in die USA beteiligten
sich auch einige Anhänger der französischen Gelbwesten-Bewegung
sowie die Modedesignerin Vivienne Westwood.

Auch in Österreich veranstalten der Österreichische Journalisten
Club (ÖJC), die Association of European Journalists (AEJ) und die
weltweit tätige zivilgesellschaftliche Gruppe „#Candles4Assange am
Karlsplatz in Wien eine Mahnwache ab. Beginn der Redebeiträge ist um
17.00 Uhr.

Der Wikileaks-Gründer sitzt seit April 2019 in dem britischen
Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Zuvor hatte er sich sieben Jahre
lang in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt, um
einer Auslieferung an Schweden wegen Vergewaltigungsvorwürfen und
womöglich an die USA zu entgehen.

Über den Fall Assange

Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte 2010 und 2011
hunderttausende geheime Papiere vor allem zum Irak-Krieg ins
Internet gestellt, die ihr von der früheren US-Soldatin Chelsea
Manning - vormals Bradley Manning - zugespielt worden waren. Sie
enthielten hochbrisante Informationen über die US-Einsätze in dem
Land, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die
Misshandlung von Gefangenen. Für besondere Bestürzung sorgte ein
Video, das den tödlichen Beschuss irakischer Zivilisten durch einen
US-Kampfhubschrauber im Jahr 2007 zeigt.

Dieser Coup brachte dem Australier den Ruf eines Helden der
Informationsfreiheit ein, aber auch Kritik. Fünf internationale
Zeitungen, die mit Wikileaks zusammenarbeiteten, warfen Assange die
Gefährdung von Informanten vor, weil er Dokumente veröffentlichte,
ohne die Quellen zu schwärzen.

Die USA beschuldigten Assange zunächst nur der Verschwörung zum
Angriff auf Regierungscomputer. Im Mai 2019 wurde die Anklage
erheblich verschärft. Wegen Verstoßes gegen Anti-Spionage-Gesetze
erhob die US-Justiz Anklage in 17 weiteren Punkten.

Die US-Anklage bezieht sich auf die Wikileaks-Veröffentlichungen
von rund 750.000 vertraulichen Dokumenten aus dem Militärapparat und
dem diplomatischen Dienst der USA. Mit den Anklagen nach dem
Anti-Spionage-Gesetz weisen die US-Ermittler die Argumentation von
Assange zurück, dass es sich bei Wikileaks um eine journalistische
Publikation handle und die dortigen Veröffentlichungen folglich
durch die Pressefreiheit geschützt seien.

2016 hatte Wikileaks während des US-Wahlkampfs tausende E-Mails
der Demokratischen Partei veröffentlicht, die der damaligen
demokratischen Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton schweren
politischen Schaden zufügten. Die USA beschuldigten Assange zunächst
nur der Verschwörung zum Angriff auf Regierungscomputer. Im Mai 2019
wurde die Anklage erheblich verschärft. Wegen Verstoßes gegen
Anti-Spionage-Gesetze erhob die US-Justiz Anklage in 17 weiteren
Punkten.

(APA)

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