Quergeschrieben

Von Identitäten und Identitären in närrischen Zeiten

Ist es kulturelle Aneignung, wenn Ihr Kind heute als Winnetou oder Nscho-tschi gehen möchte? Was an der Re-Essenzialisierung der Gesellschaft problematisch ist.

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Viele Buben und Mädchen verkleiden sich dieser Faschingstage als Helden ihrer Kinderzimmer. Wollen fremd und exotisch sein und wissen, wie sich dieses Anderssein anfühlt. Ihre Piraten sind allerdings keine verachtenswerten Kriminellen vor der somalischen Küste, sondern kühne Helden der sieben Weltmeere. Sie gehen als Hexen und haben dabei nicht die Diskriminierung kräuterkundiger Frauen im Sinn. Ihre Cowboys oder -girls sind keine historisch verbrieften Landräuber, sondern abenteuerlustige Eroberer der Prärie (und die befindet sich, wie jedes wahre Abenteuer, sowieso nur in ihrem Kopf). Und sie wären gern so edel, hilfreich und gut wie Winnetou. Sie verehrten ihr Idol für Talente, die sie als europäische Durchschnittskinder eher nicht haben: Winnetou kann Spuren lesen, tollkühne Reiterkunststücke vollführen, sich lautlos anpirschen. Mit ihren Kostümen kommentieren die kleinen Faschingsnärrinnen und -narren weder die Lebenssituation der indigenen Bevölkerung Nordamerikas einst und jetzt noch die realpolitischen Zustände im Nahen und Fernen Osten, im Wilden Westen oder vor Afrikas Küsten.

Doch seit der Diskurs der Critical-Whiteness-Bewegung auch in Europa mit zunehmender Verve geführt wird, gelten viele Verkleidungen als stereotypisierend, ethnisierend und kulturell aneignend. Freilich es ist problematisch, wenn sich Menschen aus Dominanzgesellschaften Elemente marginalisierter Kulturen zu eigen machen. Entscheidend sei allerdings die Haltung, mit der diese Dinge übernommen werden, sagt die an der Uni Klagenfurt lehrende Philosophin Ursula Renz.

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