Kokain und Hysterie, Schmisse und ein Mord: Marvin Kren reißt in „Freud“ – am Sonntag sind die ersten beiden Folgen in ORF1 zu sehen– viele Themen an. Das funktioniert erstaunlich gut.
Eine Taschenuhr pendelt im schwarzen Nichts. „Sie hören meine Stimme, Sie sehen das Pendel. Nur meine Stimme und das Pendel. Alles andere verschwindet“, sagt eine dunkle Stimme. Das Gesicht eines jungen Mannes kommt zum Vorschein, durchdringende Augen, gepflegter brauner Bart. Die Hypnosesitzung scheint erfolgreich zu sein: Eine ältere Frau wird zurückversetzt an den Unfallort ihrer kleinen Tochter. Man hört Kindergelächter, klappernde Pferdehufe, sieht ein gequältes Gesicht im Kerzenschein. Dann steht die Frau abrupt auf und zieht die Vorhänge auf. Licht strömt in das geräumige Zimmer. Und Sigmund Freud bittet seine Haushälterin: „Sagen Sie, könnten Sie ein bisschen weinen am Schluss?“
Der Erfinder der Psychoanalyse als Schwindler? Schon die erste Szene der Serie „Freud“ macht klar: Heiliggesprochen wird Freud hier nicht. Er steht aber auch noch am Anfang seiner Karriere. Der knapp 30-Jährige hat die Hypnose für sich entdeckt, doch sie gelingt ihm noch nicht, wann er es will. Für ein Referat vor der Wiener Ärzteschaft, die ihn ohnehin nicht ernst nimmt, will er das Kunststück daher lieber vortäuschen.
Der Wiener Regisseur Marvin Kren, der davor die Mafiaserie „4 Blocks“ über libanesische Clans in Neukölln gedreht hat, nutzt Freuds Biografie aber ohnehin nur als Gerüst für eine schillernde Fiktion: Das Geheimnisvolle, das seine Person und seine Lehren umgibt, funktioniert als Basis für eine anregende Mystery-Geschichte um ein blutiges Mordkomplott im Wien von 1886.