Kleinere Deals, neue Trends

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GERMANY-GARTENZWERGEAUFSTAND(c) EPA (Heinz Hirndorf)
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M&A-MARKT. Strategische Investoren haben jetzt bessere Karten. Und die Kreativität bei Transaktionen steigt.

Nach Lehman“ war der M&A-Markt so gut wie tot – nun dürfte er langsam wieder zum Leben erwachen. Stefan Schermaier, Head of Corporate & M&A bei Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte, warnt jedoch vor überzogenen Erwartungen: „Ich sehe den Markt nicht ganz so rosig wie manche Kommentatoren.“

Zwar sei die Zahl der Transaktionen seit September 2009 massiv nach oben gegangen, „aber die Deals sind kleiner geworden“. Großteils handle es sich um Verkäufe im Zuge von Restrukturierungen. Als Käufer treten dabei meist strategische Investoren auf – Unternehmen, die schon wieder auf Wachstumskurs sind. Investitionen von Private-Equity-Fonds seien dagegen „nach wie vor dürftig“, so Schermaier.

Strategen im Vorteil

Viele Fonds sind durch die Krise kräftig auf die Nase gefallen: Zuerst zahlten sie weit überhöhte Preise, nur um in diversen Bieterschlachten siegreich zu bleiben – dann verloren die erworbenen Beteiligungen massiv an Wert. Dass viele vor der Krise mit übertriebenem „Leveraging“ arbeiteten – im Klartext: wenig Eigen- und viel Fremdkapital einsetzten, um die Eigenkapitalrendite künstlich in die Höhe zu treiben – verschärft die Problematik noch. In Österreich seien im Moment fast ausschließlich strategische Investoren aktiv, so Schermaier, in Osteuropa gebe es derzeit überhaupt nur einzelne Transaktionen. Feststellbar sei auch eine Konzentration der Investoren auf bestimmte Themen: Energie, speziell Alternativenergieprojekte, ausgewählte Segmente im Infrastrukturbereich und Gesundheitswesen.

Für strategische Investoren bringt die neue Situation gewisse Vorteile: „Sie kommen jetzt leichter zum Zug“, konstatiert M&A-Experte Thomas Schirmer, Partner bei Binder Grösswang. Solange milliardenschwere Fonds praktisch jede Summe zahlten, hatten die „Strategen“ schlechtere Karten. Auch Schirmer beobachtet einen Trend zu kleineren Deals, nur vereinzelt gebe es schon wieder Großtransaktionen. Und: „Viele Unternehmen halten sich vorerst noch zurück und warten ab.“ Was auch damit zusammenhänge, dass die vor Lehman in zum Teil abstruse Höhen getriebenen Preisvorstellungen der Verkäufer jetzt „sehr langsam“ wieder realistischer werden. Den Einbruch des Geschäftes in Osteuropa bestätigt auch er; als Hauptmärkte für Transaktionen mit österreichischer Beteiligung nennt er Deutschland, Großbritannien und die USA.

„Fonds werden wiederkommen“

Als Beispiel dafür, dass der M&A-Markt trotz allem „lebt“, nennt Sascha Hödl, Partner bei Schönherr Rechtsanwälte, die Übernahme der Europolis, der Immobilientochter der ÖVAG, durch die CA Immo. Dieser Deal, der in der Vorwoche abgeschlossen wurde, ist immerhin 272 Millionen Euro schwer. Hödl erwartet, dass auch die Fonds bald wieder stärker ins Spiel kommen: „Sie sitzen auf einem Milliarden-Fondsvolumen, das dringend investiert werden muss.“ Aktuell sind dort insgesamt 500 Milliarden Euro „geparkt“, davon 86 Milliarden an alten Geldbeständen, die noch aus den Jahren 2004 bis 2006 stammen. Zum Teil gibt es für die Investition der Mittel Fristen, was die Fonds unter Zugzwang bringt. Eines der Haupthindernisse für ein rasches Anspringen des Marktes ist auch aus Hödls Sicht das Auseinanderklaffen der Preisvorstellungen: „Käufer erwarten jetzt oft sogar Preise unter dem Buchwert.“ Was für die Verkäuferseite klarerweise meist inakzeptabel ist.

Ein möglicher Ausweg: sogenannte „Vendor's Loans. „Dabei stundet der Verkäufer dem Käufer einen Teil des Kaufpreises zu attraktiven Bedingungen“, so Hödl. Das Risiko dabei ist groß – er bekommt dafür meist nur ein Pfandrecht auf die Aktien samt gewisser Zusagen hinsichtlich ihrer Wertentwicklung. Außerdem ist – so Schirmer – seine Forderung gegenüber den Ansprüchen anderer Gläubiger nachrangig.

Eine andere Variante: Earn-out-Modelle, also Vereinbarungen, dass bestimmte Teile des Kaufpreises erst zu einem späteren Zeitpunkt und nur dann fällig werden, wenn das Unternehmensergebnis bis dahin bestimmte Schwellen überschritten hat. Das führe allerdings oft zu Reibereien, so Hödl. Das beginnt damit, dass der Verkäufer Einblick in die Bücher des Käufers bekommen müsste, um die Ergebnisentwicklung zu überprüfen. Als Kompromiss kann man sich etwa darauf einigen, dass ein gemeinsam bestellter Wirtschaftsprüfer Einsicht nimmt.

Eigenkapitalersetzend?

Generell bedeuten solche Finanzierungsvarianten für den Käufer, dass er einige Jahre lang in seinen Verfügungsmöglichkeiten über das gekaufte Unternehmen eingeschränkt ist. Aber nicht nur die Finanzierung des Kaufpreises, sondern auch die spätere Ausstattung des Unternehmens mit neuem Kapital durch den Erwerber kann in Zeiten wie diesen schwierig werden. Befindet sich das Unternehmen in der Krise, steckt der Käufer in dem Dilemma, dass er der erworbenen Gesellschaft in dieser Situation keinen Kredit geben kann, sondern ihr Eigenkapital zuführen muss. Unter bestimmten Voraussetzungen wird laut Eigenkapitalersatzgesetz sogar Fremdkapital in Eigenkapital umgewandelt. „Das bedeutet, dass die Kredite einer Rückzahlungssperre unterliegen“, so Georg Justich, Partner bei Konrad & Justich Rechtsanwälte. „Sie sind so lange nicht rückforderbar, bis die Gesellschaft saniert ist.“

Einen Ausweg könnte hier das Sanierungsprivileg bieten: „Demnach sind im Rahmen eines Sanierungskonzepts neu gewährte Kredite nicht eigenkapitalersetzend, wenn jemand an einer in der Krise befindlichen Gesellschaft eine Beteiligung zum Zweck der Überwindung der Krise erwirbt“, erklärt Justich. Die Rückzahlungssperre gibt es dann nicht. Damit das Sanierungsprivileg greift, darf der Kreditgeber jedoch kein schon vorher vom Eigenkapitalersatzgesetz erfasster Gesellschafter sein. Er muss die Beteiligung nachweislich zum Zweck der Sanierung kaufen, und ein „ex ante“ taugliches Sanierungskonzept muss vorhanden sein. Justich rät, das Konzept jedenfalls durch Sachverständige erstellen und prüfen zu lassen. „Außerdem sollte der Kreditgeber das Konzept und die Umsetzung sorgfältig dokumentieren.“

Streubesitz aufkaufen

Bei börsenotierten Unternehmen kann ein weiteres Thema aktuell werden: das Übernahmerecht. Es verpflichtet denjenigen, der eine kontrollierende Beteiligung an der Gesellschaft erwirbt, zum Legen eines Übernahmeangebotes. „Oft will man aber den Streubesitz gar nicht aufkaufen“, sagt Thomas Zottl, Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Zum Teil liege nicht einmal die Übernahme von Kontrolle in der Absicht des Erwerbers: „Das kann sich auch so ergeben, etwa wenn aus einem beherrschenden Syndikat ein Partner aussteigt.“ Dazu kommt, dass Übernahmeangebote teuer werden können, weil die Finanzierung dafür zu hundert Prozent vorhanden sein muss, etwa in Form einer Bankgarantie. Und das, obwohl noch nicht absehbar ist, wie viele der Kleinaktionäre tatsächlich ihre Aktien verkaufen wollen.

Bis zu einem gewissen Grad agiere die Übernahmekommission hier pragmatisch, so Zottl: „In Zeiten der Krise wird eher akzeptiert, wenn jemand kein Übernahmeangebot macht.“ Speziell wenn man im Zuge einer Kapitalerhöhung junge Aktien kauft, also dem Unternehmen faktisch eine Finanzierung gibt, werde – im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten – mitunter ein Auge zugedrückt.

Auf einen Blick

■„Strategen“ im Aufwind. Vor der Krise dominierten kapitalstarke Private-Equity-Fonds den Markt und zahlten – meist mit hohem Fremdkapitaleinsatz – oft weit überhöhte Preise. Zum Teil mit fatalen Folgen – durch die Wirtschaftsflaute sank auch der Wert der überteuert gekauften Beteiligungen. Für strategische Investoren war in der damaligen Situation wenig zu holen – aktuell gehen dagegen die meisten Transaktionen auf deren Konto. Die Zahl der Deals ist ab September2009 wieder stark gestiegen, es überwiegen aber kleinere Transaktionen. Das größte Hemmnis für den Markt bilden große Unterschiede in den Preisvorstellungen. Die Erwartungen der Verkäufer sind zum Teil immer noch überhöht, während manche Käufer nicht einmal den Buchwert zahlen wollen. Als Ausweg kommen etwa Stundungsmodelle in Betracht, die aber nachträglich oft zu Reibereien führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2010)

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