Häupl und die Zauderer müssen strippen

Bloß eine Ländershow auf Raten? Die Sozialdatei liefert den Österreichern nur einen Einblick ins Regieren 2010.

Diese Regierung muss ausnahmsweise in Schutz genommen werden. Es ist kein frühsommerliches Scheingefecht, wenn sich SPÖ und ÖVP jetzt mit voller Kraft der Debatte um eine umfassende Datenbank widmen, die Transparenz bei allen Sozialleistungen und Förderungen liefern soll. Es ist völlig gerechtfertigt, dass sich am Montag sogar die Regierungsspitze mit der Frage befasst hat, wie jeder einzelne Betroffene und der Staat einen Überblick erhalten, für welche Leistungen die Milliarden der Steuerzahler denn so ausgegeben werden.

Leider ist hier bereits das Ende des Lobes für die Koalitionsspitze zur Einführung der „Transparenzdatenbank“, des früheren ÖVP-Transferkontos, angesagt. Denn statt um mehr Transparenz und eine sinnvolle Neuregelung geht es in der Koalition zur Jahresmitte 2010 leider wieder einmal bloß um rein parteipolitische Interessen und Machtspielchen.

Nun sind den meisten Österreichern die Parteien grundsätzlich völlig egal. Nicht gleichgültig kann den Bürgern aber sein, was da über ihre Köpfe hinweg um viel Geld – die neue Sozialdatei gibt es ja nicht zum Nulltarif – mit einem großen Unsinnigkeitsfaktor entstehen soll. Nach der Einigung der Regierungsspitze am Montag will der Bund zwar 2011 mit der Transparenzdatenbank beginnen, die Länder sollen aber erst 2012 folgen. Der Kompromiss läuft auf eine Einführung auf Raten hinaus, wobei die Umsetzung gar nicht in allen Bundesländern garantiert wäre. Landeschefs wie der Wiener Michael Häupl zittern garantiert schon jetzt vor dem Verfassungsgesetz, das droht, wenn sie nicht mitmachen sollten.


Also, transparent ausgedrückt: Ausgerechnet das rote Wien kann keusch sein und beim Daten-Striptease zögern. Das angeblich konservativ-verklemmte schwarze Vorarlberg soll als Budget-Musterschüler zuerst nackt dastehen.

Bundeskanzler Faymann bemühte sich am Montag, dem Koalitionspartner ÖVP eine länderweise Umsetzung schmackhaft zu machen. Die ÖVP wollte eine solche Variante nicht akzeptieren, wenn nicht eine Datenbank in allen Ländern zumindest in einer Schmalspurvariante gesichert ist.

Die SPÖ hat aus ihren Vorbehalten gegen das von ÖVP-Chef Pröll im Herbst 2009 „erfundene“ Transferkonto nie ein Hehl gemacht. Die Koalitionseinigung bedeutet nun allerdings: Josef Pröll muss beweisen, dass er es selbst mit voller Transparenz etwa bei den Zahlungen an die Bauern ernst meint. Außerdem lassen auch ÖVP-dominierte Länder die Jalousien lieber unten, wenn es um Fördergeld geht.

Dabei sollte eine derartige Datenbank vor allem den Sinn haben, bestehende Mehrgleisigkeiten bei Sozialleistungen und Förderungen erstmals bundesweit in großem Stil zu speichern und zu analysieren. Die jetzigen Parallelwelten von Bund, Ländern und Gemeinden sind zwar für jene kommod, die sich auskennen und die Vorteile in den Gebietskörperschaften legal nützen. Allerdings hat dieser Datenpool sicher nicht den Sinn einer neuen Beschäftigungstherapie für öffentlich Bedienstete.


Natürlich muss die Regierung mit Bundesländern und Gemeinden aufgrund des Datenmaterials überall dort gesetzliche Änderungen vornehmen, wo nachweislich sinnlos Geld verpulvert wird. Selbstverständlich muss Missbrauch abgestellt und bestraft werden.

In diesem Punkt trifft auch die ÖVP eine Mitschuld: Sie hat zwar zu Recht die Datenbank mit der Einführung einer runderneuerten Sozialhilfe, der Mindestsicherung, verknüpft. Aber die Volkspartei hat bis zuletzt davor zurückgescheut, offen zu sagen, dass das Sammeln der Daten kein Selbstzweck ist, sondern auch Fehlentwicklungen korrigiert werden. Jede Wette: In Zeiten, in denen immer von fehlendem Budgetgeld und vom Sparen die Rede ist, haben die Österreicher dafür Verständnis. Die viferen SPÖ-Politiker wissen, dass auch ihre Klientel bei den „kleinen Leuten“ nicht für das Subventionieren findiger unternehmerischer „Abzocker“ und für „Sozialschmarotzer“ ist. Wer ständig von „Neiddebatte“ spricht, will offenbar ein Förder- und Sozialsystem im wahrsten Sinne ohne Rücksicht auf Verluste einzementieren.

Also, Herr Bürgermeister Häupl und all die anderen Zauderer in Ländern und Regierung: Ihr Auftritt beim Daten-Striptease! Es geht nicht um einen Vergleich mit Kim Basinger in einem Remake von „91/2 Wochen“. Es geht um mehr Durchblick und damit letztlich mehr Gerechtigkeit beim Verteilen von Steuergeld.


karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2010)

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