„Aquarium“

Meta-Musical übers Scheitern am Leben und an der Kunst

Julian Loidl.
Julian Loidl.(c) Christoph Meissner/Muth
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Überzeugend: das Ein-Mann-Musical „Aquarium“, im MuTh uraufgeführt.

„Es ist so faszinierend, meine Schöpfung druckt sich auf weißes Papier“: Kindliche Begeisterung und Übermut leuchten aus dem Gesicht des erfolglosen Musical-Komponisten, der eine letzte Chance bekommt, sein Können zu beweisen. In einem über und über mit Post-its beklebten Zimmer trifft er zwischen Klavier und Drucker die letzten Vorbereitungen für die Präsentation vor dem Theaterdirektor – und beginnt dem Publikum von seinem Stück und seinem verpfuschten Leben zu erzählen . . .

Das Ein-Mann-Musical „Aquarium“ berührt durch die schonungslose Lebensbeichte eines Menschen, der am liebsten nicht nur sein Stück, sondern auch die eigene Vita mehrmals umgeschrieben hätte. Darüber hinaus wird es zur Selbstreflexion einer Branche, Seitenhiebe auf die Vereinigten Bühnen inklusive, aber auch auf Kollegen, die durch lapidar hingeworfene Kommentare den letzten Rest Selbstbewusstsein zerstören.

„Aquarium“, ein Musical über die Genese eines Musicals, hat selbst eine lange Geschichte. Schon vor 30 Jahren schrieb Otto Jankovich ein Musiktheaterstück gleichen Namens, das es aber nie auf die Bühne schaffte. Aus der Not wurde eine Tugend, aus dem Stoff, der lang in der Schublade lag, jenes Werk, von dem Julian Loidl als erfolgloser Komponist nun im MuTh erzählt. Da kommt es gelegen, dass die Handlung über zwei Jugendliche, die ihr Glück in einer In-Disco suchen und Opfer einer Sekte werden, verworren erscheint. Sie macht das Elend des Gescheiterten noch bedrückender.

Julian Loidl schwankt ergreifend zwischen der Begeisterung für sein Werk und der Ernüchterung, wenn ihn ein Post-it über die nicht bezahlte Stromrechnung, ein Anruf eines wütenden Kunden in seinem Alibi-Job als Medienberater oder eine SMS seiner Exfrau in die Realität zurückholen. Er spielt 90 Minuten lang mit höchstem Einsatz, singt und begleitet Lieder, führt Choreografie-Ideen vom Pizzabacken bis zur Windmühle vor. Besonders amüsant: seine Parodie eines Sektenjüngers, der allen das Geld aus der Tasche ziehen will. Vor allem vermittelt er bedrückend, wie einer zum Sklaven seines Lebens wird – und endlich den richtigen Schluss aus seinem Scheitern zieht.

Termine: 1.5., 20.6. MuTh, Wien 2, Am Augartenspitz 1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2020)

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