Sexuelle Übergriffe

Ex-Film-Mogul Weinstein vor neuen Anklagen

In der Nacht auf Dienstag (MEZ) war Weinstein wegen Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung schuldig gesprochen worden.
In der Nacht auf Dienstag (MEZ) war Weinstein wegen Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung schuldig gesprochen worden. (c) APA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLA
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Der – noch nicht rechtskräftigen – Verurteilung in New York vom Montag dürfte ein Prozess in Los Angeles folgen, wo noch weitere Frauen dem 67-Jährigen Vergewaltigung und Missbrauch vorwerfen.

New York. Nach dem Urteil eines New Yorker Gerichts wegen sexueller Übergriffe droht dem früheren Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein (67) weiteres Unheil: Gegen ihn gibt es mindestens zwei weitere, ähnliche Anklagen in Los Angeles – unter anderem wegen Vergewaltigung, erzwungenen Oralverkehrs und unsittlicher Berührungen bei erzwungener Wehrlosigkeit des Opfers. Dafür könnten 28 Jahre Haft drohen.

In der Nacht auf Dienstag (MEZ) war Weinstein wegen Vergewaltigung und schwerer sexueller Nötigung schuldig gesprochen worden. Die zwölf Geschworenen befanden den gebürtigen New Yorker zudem der Vergewaltigung in einem minder schweren Fall für schuldig. Von zwei besonders gravierenden Punkten wegen wiederholter schwerer sexueller Angriffe wurde er freigesprochen. Darauf hätte lebenslang stehen können. Letztlich drohen ihm nun fünf bis 29 Jahre Haft. Das Strafmaß soll am 11. März verkündet werden.

Richter James Burke ordnete Weinsteins Inhaftierung bis dahin an und lehnte den Antrag ab, ihn wegen Gesundheitsproblemen gegen Kaution auf freiem Fuß zu lassen. Stunden später wurde er indes wegen Brustschmerzen von der Gefängnisinsel Rikers in ein Spital nach Manhattan verlegt. Seine Anwälte kündigten Rechtsmittel an.

Fortgang in Los Angeles unklar

In welcher Form die Prozesse in Los Angeles fortgehen, ist noch unklar. Weinstein könnte rasch dorthin gebracht werden und eine gerichtliche Verständigung (Plea Deal) anstreben: Dabei würde ein Geständnis das Verfahren (vor allem die Hauptverhandlung) verkürzen, die Strafe mildern und Weinstein die Aussagen der mutmaßlichen Opfer vor Gericht weitgehend ersparen. Es könnte aber auch einen normalen Prozess geben, bei dem er mit der schweren Last einer Verurteilung antreten müsste. Die Vorwürfe in Kalifornien erheben eine Italienerin, die 2013 in einem Hotel vergewaltigt worden sein soll, und ein US-Model, das angeblich Ähnliches erlebte.

Der Prozess in New York war weltweit verfolgt worden. Mehr als 80 Frauen warfen Weinstein, der 1979 Mitgründer der Produktionsfirma Miramax war, Übergriffe in verschiedenen Abstufungen vor. Letztlich ging es aber nur um zwei Fälle: um erzwungenen Oralverkehr mit einer Assistentin sowie die Vergewaltigung einer Jungschauspielerin. In Verein mit formal verjährten Vergewaltigungsvorwürfen einer weiteren Schauspielerin wurden daraus fünf Anklagepunkte abgeleitet.

Trump: „Großartige Botschaft“

Frauenrechtsgruppen und prominente Frauen begrüßten das Urteil trotz teilweisen Scheiterns der Anklage und orten eine „neue Ära der Gerechtigkeit“. Es sei eine Botschaft, dass sexuelle Gewalt nicht länger geduldet werde. Präsident Donald Trump sprach von einer „großartigen Botschaft aus Sicht der Frauen“. Weinstein dementiert alle Vorwürfe. Er spricht von „einvernehmlichen Akten“. Die Anklage beruhte auf Aussagen der mutmaßlichen Opfer; Zeugen oder andere Beweismittel gab es nicht.


Das Bekanntwerden der Vorwürfe löste 2017 die #MeToo-Bewegung aus. Der Prozess in New York galt als Prüfstein für sie, die nicht zuletzt den fast strukturellen Machtmissbrauch nicht weniger Männer gegenüber Frauen enttarnt hatte, in dessen Rahmen sexuelle Ausbeutungen, zahllose Übergriffe und weitere verachtenswerte Handlungen geschahen.

#MeToo wird allerdings auch kritisiert: Etwa, dass es Raum für grundlose Vorwürfe bieten könne, dass schwere mit geringfügigen Fällen vermengt würden und öffentliche Anklagen am ordentlichen Rechtssystem vorbei die Zielperson sozial beschädigten. Viele Frauen äußerten sich kritisch: In einem offenen Brief in der französischen Zeitung Le Monde etwa warnten rund 100 Intellektuelle, Künstlerinnen und Journalistinnen wie Catherine Deneuve und Ingrid Caven vor dem „Klima einer totalitären Gesellschaft", das #MeToo schüre. Bloßes „Anbaggern" sei kein Delikt, #MeToo schüre Puritanismus und eine „Kampagne der Denunziation" und sei für eine politisch korrekte  „Säuberungswelle" in Kunst und Kultur mitverantwortlich.

Unterdessen hat der spanische Opernstar Placido Domingo (79) am Dienstag nach Vorwürfen sexueller Übergriffe in einer Erklärung Fehler gestanden und sich bei den Betroffenen entschuldigt. (ag./wg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2020)

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