Die Behörden registrieren erste Fälle südlich von Rom – und beruhigen. Das Land befindet sich im Notfallmodus.
Rom. Trotz der strengen Vorsorgemaßnahmen der Regierung breitet sich das Coronavirus weiter in Italien aus. Am Dienstag wurde in Palermo eine Frau positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Damit hat das Virus erstmals Süditalien erreicht, bisher hatte es südlich von Rom noch keine bestätigten Fälle gegeben. Ebenfalls am Dienstag wurden auch in den Regionen Toskana, Südtirol und Ligurien erste Fälle des Virus registriert. Damit ist die Anzahl der Angesteckten auf rund 280 Fälle angestiegen, 60 mehr als am Vorabend. Bisher sind in Italien insgesamt sieben Menschen an den Folgen des Virus gestorben, sie alle waren fortgeschrittenen Alters und litten an Vorerkrankungen.
Der Fokus liegt dabei weiterhin auf Norditalien: Die meisten Krankheitsfälle meldet die Lombardei, gefolgt von Venetien, der Emilia-Romagna, dem Piemont und Latium. Auch die neuen Fälle auf Sizilien und in Südtirol sind direkt mit dem Norden des Landes verbunden: So ist die Erkrankte aus Palermo eine Urlauberin aus Norditalien, die mit einer Reisegruppe unterwegs war. Der Mann, der in Südtirol positiv auf das Virus getestet wurde, hatte sich zuvor in der Lombardei aufgehalten, dem Brandherd des Ausbruchs mit mittlerweile rund 210 bestätigten Fällen. Auch der Patient, der in Florenz positiv auf das Virus getestet wurde, war zuvor im lombardischen Codogno gewesen.
Damit sind zwar die neuen Fälle nachverfolgbar, doch der Ursprung des Coronaausbruchs, der Italien seit dem Wochenende in Atem hält, ist weiterhin unbekannt. Denn nach wie vor ist ungeklärt, wie das Virus ins Land gekommen ist. Für die Heftigkeit des Ausbruchs machte Ministerpräsident Guiseppe Conte ein Krankenhaus mitverantwortlich, dessen Namen er jedoch nicht nannte: „Es gab einen Brandherd, und von dort hat es sich verbreitet – auch wegen der Organisation eines Krankenhauses, wo nicht alles komplett nach sorgfältigem Protokoll verlaufen ist, das man in solchen Fällen empfiehlt.“
Auch wenn Conte den Namen des Krankenhauses nicht ausdrücklich nannte, könnte er sich damit auf die Klinik in Codogno beziehen, in der ein 38-jähriger Mann behandelt worden war, der am Freitag positiv auf das Virus getestet worden war. Er soll weitere Menschen infiziert haben. Die Region Lombardei wehrte sich gegen die Vorwürfe und beschuldigte die Regierung, bei der Organisation der Krise versagt zu haben. Die Regierung hatte als Reaktion auf die sprunghaft angestiegenen Fallzahlen am Wochenende elf Gemeinden im Norden des Landes unter Quarantäne gestellt, der Zugang zu ihnen wird mittlerweile von der Polizei und dem Militär kontrolliert.
Gesundheitsminister-Treffen
Außerdem gelten im gesamten Norden erhöhte Vorsichtsmaßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen: Schulen, Unis, Museen und Theater bleiben geschlossen. Gottesdienste, Veranstaltungen und Sportereignisse wurden abgesagt. Bars und Diskotheken müssen zwischen 18 und sechs Uhr ebenfalls geschlossen bleiben. Conte rief die Bürger dazu auf, ruhig zu bleiben: „Italiens Gesundheitssystem gehört zu den effizientesten der Welt, unsere Gesundheitspolitik zu den strengsten.“ Die Einwohner könnten sich sicher sein, dass der Katastrophenschutz effizient und effektiv sei und dafür gewappnet, mit diesem Notfall umzugehen. Der Präsident der Lombardei appellierte, die Situation zu entdramatisieren: „Das Virus ist nur etwas stärker als eine Grippe.“
Betriebe, die von chinesisch-stämmigen Inhabern geführt werden, schlossen in Norditalien freiwillig vorübergehend. Schilder an geschlossenen Restaurants, Geschäften und Wäschereien entschuldigen sich für die Unannehmlichkeiten und verwiesen auf das Coronavirus. Viele Unternehmen hatten darunter gelitten, dass weniger Kunden in ihre Geschäfte kamen. Auch das ansonsten effiziente Schnellzugnetz litt unter den Folgen des Coronavirus. Auf der wichtigen Strecke zwischen Rom und dem Norden kam es zu Verzögerungen von bis zu vier Stunden, teils weil Streckenabschnitte vermieden wurden, teils wegen der Durchführung von Gesundheitskontrollen. Damit verdoppelte sich die Fahrzeit mancher Züge.
Derweil nehmen die Vorsorgemaßnahmen in Süditalien teils extreme Formen an: So kündigte der Präsident der süditalienischen Region Basilikata an, alle Bürger, die aus dem stark betroffenen Norden des Landes nach Basilikata kämen, für 14 Tage unter Quarantäne zu stellen. Diese Vorsichtsmaßnahme gelte auch für Menschen, die in den vergangenen 14 Tagen aus dem Gebiet eingereist sind. Auch die Region Molise verlangt von ihren Einwohnern, sich bei den Behörden zu melden, sollten sie sich in den vergangenen zwei Wochen in Norditalien aufgehalten haben.
Dienstagabend versammelten sich in Rom die Gesundheitsminister aus sieben Ländern, darunter Österreich. Dabei sollte es auch um Grenzkontrollen gehen. Zuvor hatte Conte an die Länder, die Einschränkungen für Italiener erwägen, gerichtet gesagt: „Das können wir nicht akzeptieren. Unsere Bürger können reisen, das ist sicher für sie und die anderen. Unser Gesundheitssystem ist ausgezeichnet, das werden wir auch der Weltgesundheitsorganisation mitteilen.“ Heute ist ein Treffen in Rom angesetzt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2020)