Spiderman – hier in Gestalt eines verkleideten Computerlehrers in einem Bus in Mexico City – ist im Alltag auch nur einer von uns. Aber weil er zuweilen als Superheld über sich hinauswächst, taugt er als Vorbild für alle.
Diskurs

Nie mehr Helden! Oder mehr denn je?

Das Heroische gilt als passé, aber populistische Politiker lassen sich als Helden feiern. Sollen ihre Gegner mit eigenen Lichtgestalten à la Greta kontern? Der Soziologe Ulrich Bröckling ist strikt dagegen, der Philosoph Dieter Thomä schwer dafür.

Mit Jagen und Sammeln fing alles an. Ohne emsige Sammlerinnen wären wir ausgestorben: Sie sorgten dafür, dass es immer etwas zu essen gab. Die tollkühnen Jäger hatten selten das Glück, ein Tier zu erlegen. Aber sie ernteten den Ruhm, denn sie konnten Aufregendes erzählen: Wie sie für alle ihr Leben einsetzten, als sie mit der reißenden Bestie rangen. Vielleicht ein wenig übertrieben, es war ja niemand dabei. Diesen ersten Helden folgten Eroberer, Entdecker, Revolutionäre, von ihren Taten kündeten Mythen und Sagen. Heute liegt auf ihren Denkmälern dick der Staub, viele wollen sie vom Sockel stoßen. Wir leben, so heißt es, in postheroischen Zeiten.

Doch das angebliche Auslaufmodell hält sich hartnäckig: als Feuerwehrmann, der ein Kind aus dem brennenden Haus rettet, als Sieger im Sport, als Superheld im Comic und Kino. Aber auch als populistischer Anführer in der Politik: Seine Anhänger blicken zu ihm auf, weil er als Tribun des wahren Volkes dem Establishment den Kampf ansagt und sich selbst die Lizenz zum Durchregieren erteilt. Womit sich die Frage stellt: Sollen die Kräfte, die sich den Populisten entgegenstellen, eigene Helden in die Schlacht werfen? Braucht auch eine Demokratie glänzende Vorbilder, die Mut machen und zeigen, was menschenmöglich ist? Die Bewegungen anstoßen, wie Greta Thunberg für das Klima und Edward Snowden für den Datenschutz? Oder gehört das Konzept Heldentum gerade in der Sphäre des Politischen, wo es um so viel geht, auf die Müllhalde der Geschichte?

Humorlos balzende Männer

Der Soziologe Ulrich Bröckling macht in seinem jüngst erschienenen Buch „Postheroische Helden“ keinen Hehl daraus, was ihm am Heldentum „zutiefst suspekt“ ist: zu viel Pathos, die Zweiteilung der Welt in Gut und Böse, der permanente Kampfmodus, der glorifizierte Opfergeist, der Totenkult und die Nackenstarre, die man vom Aufschauen kriegt. Zudem müssten Helden humorlos bleiben, ohne Ironie – Don Quijote ist ein entzauberter Held. Überhaupt sei all das Getue nur Balzverhalten von Männern, die in Frauen ihre Siegestrophäen sehen. Und wenn dann doch einmal eine Heldin auf den Plan trete, wiederhole sie nur männliche Rollenmuster, wie Jeanne d'Arc oder Lara Croft.

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