Gastkommentar

Von Kommunisten und Polemikern

Ist wirklich der Kollaps des Wirtschaftsstandorts Burgenland zu befürchten? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein nüchterner Blick auf die Fakten.

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Sollten Sie es noch nicht mitbekommen haben, das Burgenland wird seit neuestem kommunistisch regiert. Um genauer zu sein, seit der Amtsübernahme von LH Doskozil. Dessen ist sich Stephan Zöchling (Unternehmer in der Metallindustrie und lautstarker Kritiker der KV-Lohnerhöhungen) sicher, wie er in seinem Kommentar vom 21.02. an dieser Stelle ausführte. Für ihn bedeutet der kürzlich eingeführte gesetzliche Mindestlohn für Landesbedienstete von 1700 Euro netto nicht weniger als der Beginn einer „Todeslohnspirale“. Der Kollaps des Wirtschaftsstandords sei zu befürchten, und dass ähnliche Ziele bei den kommenden KV-Verhandlungen auch von Arbeitnehmerseite in der Metallindustrie in Angriff genommen werden könnten. Auch die Gegenfinanzierung der 40 Mio.€ wären noch nicht geklärt. Was an Mehrausgaben von weniger als einem halben Prozent des regionalen BIP’s (Stand 2018) zu rechtfertigen ist, sei dahingestellt.

Doch worum geht es Zöchling, und worum geht es in der aktuellen Debatte um den Mindestlohn? Ist das Ende der freien Marktwirtschaft, wie wir sie kennen, zu befürchten? Oder geht es schlicht und ergreifend darum, einen ersten Schritt für Arbeitnehmer*innen zu setzen, die spätestens seit den 1990er Jahren Reallohnverluste von 13% im unteren Einkommensbereich hinnehmen mussten, wie der Rechnungshof 2016 bestätigte?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein nüchterner Blick auf die Fakten. Betroffen von dieser Maßnahme sind in etwa 2000 Landesbedienstete und weitere 2100 Bedienstete der Krankenanstalten (Quelle orf.at). Die Wirtschaftswissenschaft weißt in Bezug auf Mindestlöhne widersprüchliche Befunde auf. Sie können sich sowohl mit positiven als auch negativen Konsequenzen in Bezug auf Beschäftigung und Lohnentwicklung auswirken. Ausschlaggebend sind hier die gesamten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, bei denen das Burgenland sowohl bezüglich der Arbeitslosenquote als auch der Entwicklung des BIP’s seit der Jahrtausendwende im österreichischen Vergleich überdurchschnittlich gut abschneidet (was natürlich auch durch die finanziellen Zuwendungen der EU begünstigt wurde). Der Zusammenbruch der heimischen Wirtschaft ist trotzdem nicht zu befürchten.

Auch wenn ein Mindestlohn für Landesbedienstete im Burgenland kein Allheilmittel für die immer wachsende Lohnschere zwischen hohen und niederen Einkommen sein wird, ist die Symbolwirkung nicht zu unterschätzen. Die Politik geht hier mit gutem Beispiel voran und setzt erste Schritte, Vorschläge der Privatwirtschaft sind Mangelware. Dass Zöchling kein großer Verfechter davon ist, liegt auf der Hand, schließlich befürchtet er Wettbewerbsverluste der heimischen Wirtschaft durch steigende Lohnstückkosten. Natürlich hat sich Österreich Wettbewerbsvorteile erst durch die jahrelange Zurückhaltung der Löhne gesichert, dies bleibt jedoch unerwähnt. Schließlich lagen die jährlichen Gehaltserhöhungen seit 1998 auch bei steigender Produktion nur 5 mal (!) über der Inflation, während sich die Gewinnausschüttung (zumindest in der Metallindustrie) auf einem Rekordhoch befindet.

Wenn Arbeiter*innen nach mehreren Jahrzehnten Jahren endlich die Früchte ihrer Arbeit ernten wollen, sollten sie es sich nicht gefallen lassen müssen, die Zielscheibe einiger weniger zu werden, die um ihre Millionengewinne fürchten. Man kann natürlich auch (wie Zöchling) mit Polemik reagieren und jeden Versuch, ein wenig Gerechtigkeit in der heimischen Lohnpolitik zu etablieren, allergisch bekämpfen. Dies sollte jedoch nicht mit einem sinnvollen Beitrag zur Debatte verwechselt werden.

Julian Krismer (*1994 in Innsbruck) studiert Psychologie und Wissenschaftsphilosophie und -geschichte an der Uni Wien.

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