Kabarett

Wieser und Stockenreitner: Ist jetzt schon alles wurscht?

Comedians. Vitus Wieser (l.) und David Stockenreitner (r.) präsentieren ihr erstes Duo-Programm.
Comedians. Vitus Wieser (l.) und David Stockenreitner (r.) präsentieren ihr erstes Duo-Programm.(c) Christine Pichler
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Während die Welt am Irrsinn kratzt, decken die Kabarettisten Vitus Wieser und David Stockenreitner ihre eigenen Schwächen auf.

Sie passen eigentlich nicht zusammen. Der eine ist reich an Selbstbewusstsein, arm an Haaren. Der andere hält sich zurück, weiß nicht, wohin mit den Locken. Und wohin mit dem Leben? Da sind sie sich beide unsicher. Auf der Bühne funktionieren sie trotzdem gut zusammen. Zur Zeit spielen Vitus Wieser und David Stockenreitner „Kabarett ist tot“, ihr erstes gemeinsames Bühnenstück. Bis dahin waren sie auf unterschiedlichen Wegen unterwegs. Wieser studierte in New York bei dem mittlerweile verstorbenen Philip Seymour Hoffman Schauspiel und stand zum Beispiel für Tarantinos „Inglourious Basterds“ vor der Kamera („als Kellner, den man nicht sieht“). Stockenreitner brachte in seinem zweiten Kabarettprogramm „Down“ den Konkurrenzkampf unter Behinderten auf die Bühne und braucht manchmal selbst Hilfe, um auf ebendiese zu kommen. Der Endzwanziger kann von Geburt an einen Arm nicht bewegen und einen Fuß nur schwer ansteuern. Er sei vom Typ her ein Owezahrer, sagt er, was natürlich nicht stimmen kann, bedenkt man seinen Einsatz für die Wiener und die Grazer Stand-up-Szene, wo er die Open-Mic-Abende „Spot, please“ (im Local) und „Lachflash“ (in der Graslerei) organisiert – und „blutjungen wie auch ausblutenden Künstlern“ ihre Minuten im Scheinwerferlicht gibt.

Raus aus dem einsamen Schaffen. Kennengelernt haben sich Wieser und Stockenreitner vor ein paar Jahren über das Stand-up. Damals war Wieser nach drei Jahren aus New York zurückgekommen und frisch infiziert mit der Energie des Genres. „Mir war einfach klar, dass das, was David auf der Bühne macht, pures Stand-up ist.“ Er wollte mit ihm spielen. Zuerst hatte Wieser aber noch sein eigenes Kabarettdebüt auf die Bühne zu bringen. Für ein Folgeprogramm fehlten dann Antrieb und Lust. „Was mich am Theater oder Film am meisten stört, ist, dass man immer allein arbeiten muss. Du schreibst allein, du spielst allein, nach der Arbeit bist du wieder allein“, erzählt er. Ein Duo musste her, und die einzigen Leute, mit denen er sich das vorstellen konnte, waren David Stockenreitner oder Christoph Fritz, bei dem er selbst schon Regie geführt hatte. Fritz war zu stark gebucht. Stockenreitner sagte sofort zu. „Ich bin nicht so eingedeckt“, lacht er. „Ich weiß nicht, wie viel Vitus von mir hat – ich bin ja Parasit –, aber ich habe sehr von ihm profitiert“, zieht er schon vor der Premiere Bilanz. „Vitus ist einfach ein sehr guter Geschichtenerzähler und kann viele Ansätze besser in eine Form bringen. Ich bin meistens der, der irgendwelche Ideen in den Topf wirft.“ Wieser ergänzt: „Dafür sind es sehr, sehr viele, das ist herrlich. Er ist wie eine Witzefabrik, kommt bei der Tür herein und legt los.“ Selbst tut er sich schwerer mit dem spontanen Humor. Stockenreitner aber sprüht vor Ideen. „Ich habe das Gefühl, er leidet im normalen Leben, da kämpft er sich durch, aber wenn er dann irgendwo spielen kann, dann legt er los“, sagt Wieser. Stockenreitners Arbeitsrhythmus ist typisch für Stand-up-Comedians, er geht regelmäßig auf offene Bühnen und probiert aus, was er lustig findet. „Ich schmeiß alles an die Wand und schau zu, was kleben bleibt.“ Das Klebrige bleibt im Repertoire, der Rest kommt weg. Mit Wieser ist der Arbeitsprozess noch effektiver, sagt er. Dass die beiden einen guten Flow haben, merkt man auf der Bühne sofort. Dort häkeln sie sich zur Show. Anhand der an Georg Kreisler erinnernden These „Kabarett ist tot“ spielen sie den Irrsinn der Welt ab. Eine erste Diagnose drückt die Sorge aus, dass man keinen gespielten Humor mehr als Format brauche, weil die Realität mit ihren Selfietoten und Jö-Karten doch schon Witz genug habe.

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