Gastkommentar

Coronavirus: Eine Pandemie wie 2009 die Schweinegrippe

(c) Peter Kufner
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Es ist anzunehmen, dass fast jeder in Österreich mit dem Virus in Kontakt kommen wird, doch die Mehrheit wird keine oder schwache Symptome entwickeln.

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Wie erwartet hat das Coronavirus nun auch Österreich erreicht. Zwar wird von offizieller Seite alles versucht, um zu beruhigen, aber leider wird das nichts daran ändern, dass wir wohl unaufhaltsam auf eine Pandemie zusteuern. Das neue Coronavirus ist nämlich infektiologisch ein Albtraum: Die Zeit zwischen Infektion und Auftreten von Symptomen (sofern diese überhaupt auftreten), in der die Patienten bereits infektiös sind, ist sehr lang, die Infektiösität ist hoch, die Diagnostik unzuverlässig.

China hat seit dem Ausbruch des Virus prinzipiell alles richtig gemacht, aber trotzdem gelang es nicht, die Verbreitung in den Rest der Welt zu verhindern, und die Eindämmung der weltweit immer zahlreicher aufflackernden Infektionsherde wird leider immer unwahrscheinlicher. Auch führt jeder weitere Herd dazu, dass infektiöse „Spreader“ ohne klinische Symptome das Virus weiter verbreiten. Der Vergleich mit der Spanischen Grippe von 1918 bis 1920 (vermutlich 50 Millionen Tote bei einer Weltbevölkerung von ca. 1,8 Milliarden) ist nicht so weit hergeholt – auch diese Erkrankung überzog trotz wesentlich geringerer Mobilität der Menschen damals letztendlich die gesamte Welt.

Im Unterschied zur Spanischen Grippe, die hauptsächlich junge Erwachsene tötete, scheint jedoch das Coronavirus laut den vorliegenden chinesischen Daten vor allem für ältere Menschen mit Vorerkrankungen gefährlich zu sein – und in einem Land wie Österreich fallen leider sehr viele Menschen in diese Risikogruppe. Laut chinesischen Daten entwickeln ca. 20 Prozent aller Infizierten schwere Symptome, und ca. zwei Prozent aller Erkrankten sterben. Das Sterberisiko der 70- bis 79-Jährigen liegt bei acht Prozent, jenes der über 80-Jährigen bei 15 Prozent. Allerdings sind diese Daten nicht ganz aussagekräftig, da nicht klar ist, wie viele Menschen keine oder wenig Symptome entwickeln, deshalb nicht getestet werden und somit nicht in die Statistik Eingang finden. Somit ist anzunehmen, dass die Gesamtmortalität am Coronavirus deutlich unter zwei Prozent liegt.

Was ist nun das wahrscheinlichste Szenario für Österreich? Es ist anzunehmen, dass es der Schweinegrippe-Pandemie 2009 ähneln wird: Am Anfang wurde jeder einzelne Fall offiziell verkündet, es gab Quarantänen usw. Doch als die Fallzahlen explodierten, wurden bald wie bei jeder „normalen“ Grippewelle nur mehr Patienten mit schweren Verläufen stationär behandelt, und für alle anderen Fälle gab es keine speziellen Maßnahmen mehr.

Es ist anzunehmen, dass fast jeder mit dem Virus in Kontakt kommen wird, da es unrealistisch ist, sich bei einer Pandemie über Wochen hinweg vor dem Virus schützen zu können (zumal dazu das gesamte öffentliche Leben stillstehen müsste). Die Mehrzahl der Menschen wird keine oder nur schwache Symptome entwickeln, aber leider nicht alle: Österreich wies 2019 ca. 780.000 Einwohner auf, die 70 bis 79 Jahre alt waren, und 440.000 Personen waren 80 oder älter.

Worst-Case: 50.000 Todesfälle in Österreich möglich

Wenn man davon ausgeht, dass die Hälfte der Erkrankungen aufgrund des milden Verlauf gar nicht diagnostiziert wird, könnten in Österreich als Worst-Case-Szenario nur bei älteren Menschen mehr als 50.000 Todesfällen auftreten. Zum Vergleich: die Grippe dürfte in Österreich 2018 ca. 1400 Todesopfer gefordert haben.

Es ist zu hoffen, dass Österreich wirklich (wie vom Gesundheitsminister verkündet) zu den bestvorbereiteten Ländern der EU gehört – unser Gesundheitssystem muss auf eine große Anzahl von Patienten mit Pneumonie vorbereitet sein. Essenziell ist auch die Sicherstellung der Infrastruktur für die Beatmung von Patienten mit akutem Lungenversagen.

Univ.-Prof. Dr. Peter Birner, MSc (*1971), ist Facharzt für Klinische Pathologie und Molekularpathologie.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2020)

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