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Coronavirus: Von Reisewarnungen, Schutzmasken und Nachfragen nach Nudeln

Die Talstation der Hungerburgbahn.
Die Talstation der Hungerburgbahn.APA/EXPA/JOHANN GRODER
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Gesundheitsminister Rudolf Anschober rät nicht, „dass wir alle zu Atemschutzmasken greifen“. Das Heer befiehlt seinen Soldaten, Sonderurlaub nur mehr in Österreich zu verbringen. In Supermärkten steigt die Nachfrage nach Nudeln und Reis.

Das neuartige Coronavirus hat mit zwei bestätigten Fällen nun auch Österreich erreicht. Dennoch sei „im Vergleich zur internationalen Situation“ die Situation „sehr, sehr positiv“, „es gibt nach wie vor sehr wenige Fälle", sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Mittwochabend in der ORF-Sendung "Thema Spezial".

Die Behörden würden daran arbeiten, dass das auch so bleibe und "dass wir diesen Ausbruch in Italien und unsere Einzelfälle gut abgrenzen", sagte Anschober. "Das ist zwar aufwendig, aber wichtig."

Besser keine Reisen in Krisenregionen

Für weitere Fälle seien die Spitäler jedenfalls gut gerüstet, und das "selbst in Grippezeiten, derzeit gibt es 125.000 Erkrankte". Von Reisen nach Italien riet Anschober nicht prinzipiell ab, ins unmittelbare Krisenregionen sollte man jetzt aber nicht fahren.

Primär gehe es aber um "Eingrenzung von Verdachtsfällen aber nicht Begrenzung des Reisens". In Österreich sind bereits vielerorts Atemschutzmasken ausverkauft. Diese seien aber "nicht erforderlich". "Ich rate nicht, dass wir alle zu Atemschutzmasken greifen", sagte Anschober.

Genug Masken für Einsatzkräfte

Damit ausgestattet ist das Gesundheitspersonal und andere Berufsgruppen wie die Polizei, für diese Personen seien genug Masken verfügbar .Am Dienstag wurde in Innsbruck ein Hotel nahe der Innenstadt gesperrt, die mit dem Coronavirus infizierte Italienerin war dort als Rezeptionistin tätig. Am Mittwoch wurde eine Schule in der Wiener Josefstadt von der Polizei abgeriegelt. Bei diesen rigorosen Maßnahmen gehe es um "die rasche Informationskette", die "das wichtigste" sei, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Durch die Abriegelung konnten im Fall der Rezeptionistin ihre Kontakte schneller abgeklärt werden, betonte Nehammer. Im Fall der ebenso negativ getesteten Lehrerin des Gymnasiums am Mittwoch in Wien wäre durch die Sperre ebenso möglich gewesen, rasch ihre Kontakte festzustellen. Wäre sie positiv getestet worden, "dann sind solche Maßnahmen notwendig, um rasch die Ausbreitung des Virus einzudämmen", sagte Nehammer.

Krisenstab tagt „24 Stunden, sieben Tage die Woche"

Der im Innenministerium eingerichtete Krisenstab tagt mittlerweile "24 Stunden, sieben Tage die Woche", sagte Nehammer. Das Ministerium "ist für die zivile Sicherheit verantwortlich". "Wir nehmen die Sorgen der Bevölkerung ernst", betonte der Minister. Polizeiliche Maßnahmen würden in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium durchgeführt.

Bei Schutzmaßnahmen gehe es darum, "diese auch tatsächlich umzusetzen". In erster Linie sei die Aufgabe der Exekutive zwar "Deeskalation und Information", doch kündigte Nehammer "Zwangsgewalt" für Personen, die sich den Maßnahmen entziehen, an. Bisher hätten aber alle betroffenen Personen gut mit den Behörden kooperiert.

24-Jährige Italienerin und ihr Freund positiv getestet

In Österreich hat es bis Mittwochabend zwei bestätigte Coronavirus-Fälle gegeben. Dabei handelt es sich um eine 24-jährige Italienerin und ihren Freund in Tirol. Zahlreiche Verdachtsfälle wurden im Laufe des Tages negativ getestet - darunter eine Lehrerin an einer Wiener Schule, ein Mitarbeiter der Wiener UNO-City und ein verdächtiger Todesfall in Kärnten. 23 Personen befinden sich in Quarantäne.

Bisher hat es österreichweit 321 Tests auf das Coronavirus gegeben. Allein in Tirol wurden bis Mittwochabend über 100 Tests durchgeführt - darunter an 62 Personen, die sich in dem Hotel nahe des Innsbrucker Bahnhofs aufhielten, wo die infizierte 24-jährige Italienerin arbeitete.

Fahrt mit der Hungerburgbahn

Das Paar fuhr am vergangenen Samstag noch mit der Innsbrucker Nordketten- und der Hungerburgbahn. Das Land richtete für zu diesem Zeitpunkt anwesenden Fahrgästen eine Hotline unter der Telefonnummer 0800 80 80 30 ein. Eine Ansteckung für die weiteren Fahrgäste sei aus medizinischer Sicht aber "sehr unwahrscheinlich", betonte Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) telefonierte am Mittwoch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Dabei tauschte er sich über die Situation in Europa und die weitere Zusammenarbeit der Länder aus. "Wir haben vereinbart, dass wir eng abgestimmt eine weitere Verbreitung des Virus bekämpfen werden. Italien wird uns laufend über aktuelle Entwicklungen vor Ort informieren", sagte Kurz in einer Aussendung.

Generaldirektion für Öffentliche Gesundheit kommt wieder

Ziel sei der größtmögliche Schutz der Bevölkerung. Hierfür würden alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden, betonte der Bundeskanzler. Der von Ex-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) abgeschaffte Generaldirektor für die Öffentliche Gesundheit wird wieder eingeführt. Eine entsprechende Meldung der "Kleinen Zeitung" (Online-Ausgabe) bestätigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) der APA am Mittwochabend. "Ein Generaldirektor für Öffentliche Gesundheit (Chief Medical Officer) ist unabdingbar.  Im zweiten Quartal 2020 wird der Bereich Gesundheit damit hinsichtlich Krisentauglichkeit neu aufgestellt", kündigte Anschober an.

Mehrere Verdachtsfälle stellten sich am Mittwoch in Österreich als negativ heraus. Ein Gymnasium in Wien-Josefstadt wurde vorübergehend gesperrt, nachdem eine Lehrerin als Verdachtsfall galt. Es habe sich "um standardmäßige Maßnahmen in Abstimmung mit der Landesbildungs-und Landessanitätsdirektion" gehandelt, um die nötigen Tests durchzuführen, hieß es in einer Aussendung des Innenministeriums.

Der Einsatzstab konnte am frühen Nachmittag Entwarnung geben und die Maßnahmen aufheben. Die in Ansteckungsverdacht geratene Lehrerin hatte sich nicht infiziert. Die Sperre sorgte auch für Diskussionen über die zuständige Behörde. Veranlasst wurde sie von der Wiener Landessanitätsdirektion. Das Bildungsministerium verschickte einen Krisenplan zum Umgang mit dem Corona-Virus an Schulen und Hochschulen.

Darin enthalten ist eine Checkliste, wie zu reagieren ist, wenn eine Infektion oder ein dringender Verdachtsfall festgestellt oder gemeldet wird. Die (Hoch-)Schulen müssen in jedem Fall die Gesundheitsbehörden einschalten, diese treffen dann alle weitere Entscheidungen. Auch ein Mitarbeiter des Vienna International Center (VIC), der mit Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion in ein Wiener Spital gebracht worden war, wurde negativ getestet. Der medizinische Dienst des VIC wird die Situation aber weiterhin genau beobachten, teilte der Informationsdienst der UNO (UNIS) in Wien am späten Mittwochnachmittag mit.

Tischbesuche in Justizanstalten vorerst nicht möglich

Ein Verdachtsfall in einem Apartmenthaus in Bad Kleinkirchheim - eine Italienerin hatte gegen Mitternacht plötzlich unter Atemnot gelitten und war trotz Reanimationsmaßnahmen seitens der Rettungskräfte gestorben - bestätigte sich nicht. Die 56-jährige Italienerin aus dem Raum Udine war nicht infiziert. Die Sperre der betroffenen Apartmentanlage wurde aufgehoben.

Nach der Bestätigung erster Infektionen in Österreich traten im heimischen Strafvollzug Sicherheitsmaßnahmen in Kraft , "um einer allfälligen Einschleppung von Infektionskrankheiten und deren Verbreitung vorzubeugen", wie Ressortmediensprecherin Christina Ratz am Mittwochnachmittag auf APA-Anfrage erklärte. Tischbesuche in Justizanstalten sind vorerst nicht mehr möglich.

Nachfrage nach Nudeln, Reis und Konserven gestiegen

Die Aufregung um die Verbreitung des Coronavirus schlägt sich auch in der heimischen Wirtschaft nieder. Die Industrie sorgt sich um die Konjunktur, die Wirtschaftskammer bereitet mit der Gewerkschaft Kurzarbeit für Reisebüros vor und die AUA schickt 150 bis 200 Mitarbeiter nach Hause. In den Supermärkten ist die Nachfrage nach Nudeln, Reis, und Konserven gestiegen, Hamsterkäufe gibt es aber nicht.

In Italien stieg unterdessen am Mittwoch die Zahl der Coronavirus-Infektionen auf 400 Fälle gestiegen. Laut Zivilschutz Angelo Borrelli wurden 258 Fälle in der Lombardei gemeldet, wo der Infektionsherd lokalisiert wurden. 71 Fälle gab es in Venetien und 47 in der Emilia Romagna. In insgesamt neun italienischen Regionen, darunter auch Südtirol, gab es Infektionsfälle. Über 10.000 Tests wurden in Italien durchgeführt. Weniger als vier Prozent ergaben ein positives Ergebnis, sagte Borrelli bei einer Pressekonferenz im Sitz des Zivilschutzes in Rom.

Spitäler wollen Infektionskette verhindern

Die Krankenhäuser arbeiten mit laufenden internen Informationen, um gegebenenfalls gewappnet zu sein, sollte bei ihnen ein Corona-Verdachtsfall aufschlagen. Hauptintention ist es, dass die Auslösung einer Infektionskette verhindert wird, sagte ein KAV-Sprecher zu einem entsprechenden Papier, das der APA vorliegt. Ganz ähnlich wird bei internen sogenannten Influenza-Statusinformationen vorgegangen.

"Solche internen Anweisungen gibt es natürlich. Sie dienen dem adäquaten Umgang mit potenziellen Verdachtsfällen", sagte der Sprecher des Krankenanstaltenverbundes (KAV). Einträge des Coronavirus in Krankenhäuser - wie dies in Italien der Fall gewesen sein dürfte - sollen verhindert werden.

„Es könnte Corona sein"

Es geht darum, dass Mitarbeiter laufend über festgelegte Vorgehensweisen informiert werden. So wird die Rettung mit einem Coronavirus-Verdachtsfall in Wien zum KFJ-Spital geschickt, das für solche Fälle vorgesehen ist. Stellt sich jemand persönlich bei einem Krankenhaus vor, etwa mit den Worten "es könnte Corona sein", dann wird diese Person mit einer Maske versorgt, damit sie egal welche Virusinfektion nicht weiterverbreitet und in weiterer Folge nach Abfrage nach den Kriterien der Falldefinition an die Notfallambulanz gebracht, die wiederum ins KFJ-Spital liefert.

Mitarbeiter führen ihren Dienst nach einem solchen Verdachtsfall weiter. Sie haben eine persönliche Schutzausrüstung und müssen eine zu führende Kontaktliste immer sofort ergänzen. "Unmittelbar nach Exposition und für den nächsten Stunden ist ein Exponierter nicht infektiös", heißt es in der Statusinformation. Eine eventuell später notwendige Quarantäne werde von den Gesundheitsbehörden angeordnet.

Extra Reinigungsdienst

Zusätzlich steht wie bei einer Grippewelle ein extra Reinigungsdienst rund um die Uhr zur Verfügung. Täglich vor Dienstbeginn und zum Dienstschluss soll das KAV-Intranet auf neue Infos und Vorgaben überprüft werden. Die Krankenhaushygiene führt zudem laufend Schulungen zum Coronavirus in den Ambulanzen an Ort und Stelle durch.

Heereskommandant befiehlt nur mehr Österreich-Urlaub

Österreichische Soldaten im Auslandseinsatz sollen underdessen wegen des Coronavirus ihren Sonderurlaub nur mehr in Österreich verbringen dürfen. Das hat Streitkräftekommandant Franz Reißner in einem Befehl angeordnet. "Die Konsumation des Sonderurlaubes während des Auslandseinsatzes ist bis auf weiteres auf das österreichischer Staatsgebiet beschränkt", heißt es in der Befehl.

Darüber hinaus sollen "nach Möglichkeit nur Direktflüge nach und von Österreich genutzt werden". Begründet wird der Befehl als "präventive Maßnahme zum Schutz der österreichischen Soldaten und um das Ansteckungsrisiko auf möglichst niedrigem Niveau zu halten".

Nationalrat im Zeichen von Corona

Auch die Februar-Sitzung des Nationalrats wird vom Corona-Virus dominiert. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) werden heute, Donnerstag, vor den Abgeordneten eine Erklärung zum Stand der Dinge abgeben. Dazu wird in einer "Aktuellen Stunde" auf Antrag der Grünen zum Thema Transit debattiert.

Aufgehoben wird vom Nationalrat per Beharrungsbeschluss ein Veto des rot-blau dominierten Bundesrats gegen die Neuregelung der Haftungsobergrenzen. Zu einer Reparatur kommt es bei der Anhebung der Mindestpensionen. Konkret wird der Satz für Ehepaare rückwirkend mit Anfang Jänner auf knapp 1.525 Euro erhöht. Schließlich werden auch noch zwei "Auslieferungsbegehren" der Polizei wegen nicht bezahlter Strafen nach Aktionen behandelt. Während die weitere Verfolgung des Grün-Mandatars Michel Reimon wohl ermöglicht wird, bleibt sein Fraktionskollege David Stögmüller geschützt, weil er zum Zeitpunkt des Vorfalls schon im Parlament tätig war und daher ein Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Hohen Haus besteht.

(APA)

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