Syrien

Eskalation in Idlib: Ein Friedensgipfel rückt in weite Ferne

Ein von der Türkei unterstützter syrischer Kämpfer feiert die Einnahme der Stadt Saraqeb.
Ein von der Türkei unterstützter syrischer Kämpfer feiert die Einnahme der Stadt Saraqeb.APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR
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Türkische und syrische Truppen geraten in der Region Idlib immer öfter direkt aneinander. Ein Treffen der beiden Präsidenten Erdogan und al-Assad Anfang März kommt nicht zustande.

In der umkämpften syrischen Region Idlib wird die Lage immer unübersichtlicher. Von der benachbarten Türkei unterstützte Rebellen eroberten nach eigenen Angaben vom Donnerstag die strategisch wichtige Ortschaft Saraqeb von Regierungstruppen zurück. Für die syrische Armee, die von Russland und dem Iran unterstützt wird, wäre es der erste größere Rückschlag bei ihrer Offensive in Idlib.

Russland dementierte dies aber. Die Truppen des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad hätten den Angriff zurückgeschlagen, zitierten russische Agenturen Militärkreise. Die Truppen von Syriens Machthaber Bashar al-Assad hatten Saraqeb und die zentrale Verkehrsachse zwischen Damaskus und Aleppo Anfang des Monats vollständig eingenommen. Erdogan forderte jedoch einen Rückzug der Regierungsanhänger und drohte mit einem Militäreinsatz, sollte das nicht bis Ende Februar geschehen.

Das russische Präsidialamt wies am Donnerstag Erklärungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zurück, er könnte sich mit Russlands Staatschef Wladimir Putin kommenden Mittwoch erneut treffen, um über die Lage in Idlib zu beraten. "Putin hat für den 5. März andere Pläne", sagte Sprecher Dmitri Peskow. Wegen der Kämpfe sind laut UN eine Million Menschen auf der Flucht.

19 tote türkische Militärs

Bei einem Luftangriff in der Region wurden nach offiziellen Angaben zwei türkische Soldaten getötet. Der Angriff sei von syrischen "Regime-Kräften" ausgegangen, meldete die staatliche Agentur Anadolu. Damit dürfte die Zahl der in rund einem Monat in der Region getöteten türkischen Militärangehörigen auf 19 gestiegen sein.

Beobachtern zufolge brachten syrische Regierungstruppen zuletzt einen anderen Teil Idlibs unter ihre Kontrolle. Die Soldaten hätten in den vergangenen Tagen etwa 60 Ortschaften im Süden der Rebellenhochburg und in der Nachbar-Provinz Hama eingenommen, erklärte die Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte. Aus Oppositionskreisen hieß es, es laufe eine Gegenoffensive.

Die Türkei verhandelt seit Wochen erfolglos mit Russland über ein Ende der Offensive syrischer Truppen gegen die letzte Rebellenbastion in Syrien. Die Türkei hat sich mit einigen Gruppen von Aufständischen verbündet und Tausende eigene Soldaten in das Nachbarland verlegt. Gelingt keine Einigung, droht eine neue Flüchtlingswelle. Erdogan hat wiederholt erklärt, sein Land könne über die 3,6 Millionen bereits in der Türkei lebenden Syrer hinaus keine weiteren Menschen mehr aufnehmen. Zudem wirft er Russland vor, die humanitäre Krise in der Region zu ignorieren.

Von einer Deeskalationszone ist wenig übrig

Am Mittwoch hatte Erdogan angekündigt, syrische Truppen in Idlib in den kommenden Tagen anzugreifen. Russland, die Türkei und der Iran hatten 2017 eine Deeskalationszone in der Region vereinbart. Die Türkei gruppierte Militärbeobachter um diese Zone. Inzwischen liegen mehrere Posten aber hinter der Frontlinie auf dem von syrischen Soldaten eroberten Gebiet. Die Lufthoheit dort hat die russische Luftwaffe.

Bei Angriffen auf Wohngebiete in der Provinz Idlib seien in dieser Woche zahlreiche Zivilisten zu Opfern geworden, erklärte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins sans frontières/MSF). Ärzte in Krankenhäusern hätten von 18 Toten und 185 Verletzten berichtet. "Dieser willkürliche Beschuss mit Bomben und Granaten am Dienstag kann praktisch nur von der syrischen Regierung und ihren Verbündeten ausgegangen sein", sagte Meinie Nicolai, Leiterin des Operationalen Zentrums von MSF in Brüssel. Auch zwei Schulen und zwei Kindergärten seien getroffen worden. Kritiker werfen der Armee und Russland vor, gezielt wichtige Infrastruktur zu bombardieren.

Maas: „Leid ist unbeschreiblich"

Angesichts der katastrophalen humanitären Lage in Idlib hat der deutsche Außenminister Heiko Maas erneut eine sofortige Waffenruhe für die Region gefordert. "Das Leid der Menschen vor Ort ist unbeschreiblich", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im ARD-"Mittagsmagazin" vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zu dem Thema in New York.

Er verwies darauf, dass von einst drei Millionen Bewohnern der Provinz inzwischen fast eine Million auf der Flucht seien. Maas forderte auch bessere Zugänge für die Lieferung von Hilfsgütern. Hilfsorganisationen sind kaum noch in der Lage, die große Zahl an Vertriebenen zu versorgen. Es fehlt an Unterkünften, Nahrung, Heizmaterial und medizinischer Versorgung.

Der deutsche Außenminister schloss auch Sanktionen nicht aus, um den Druck auf die an den Kämpfen beteiligten Länder zu erhöhen. Er betonte aber auch: "Sanktionen sind immer das letzte Mittel." Wiederaufbauhilfe für Syrien schloss Maas bis auf weiteres aus. "Letztlich wäre das nur ein Beitrag dazu, die Macht Assads weiter zu stabilisieren. Daran hat sicherlich die internationale Staatengemeinschaft kein Interesse."

(APA/Reuters/dpa)

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