Coronavirus

WHO-Chef: Virus hat "pandemisches Potenzial"

Ein Bild aus dem saudiarabischen Pilgerort Mekka.
Ein Bild aus dem saudiarabischen Pilgerort Mekka.APA/AFP/ABDULGANI BASHEER
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Pandemie oder nicht? Irrelevant, meinen Experten. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation fordert eine aggressive Reaktion der betroffenen Staaten. Das Wort „Pandemie“ selbst hat die WHO aus ihren Kategorie-Bezeichnungen gestrichen.

Mit dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus in inzwischen mehr als 40 Ländern ist die Welt nach Meinung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an einem entscheidenden Punkt. "Dieses Virus hat pandemisches Potenzial", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Donnerstag in Genf. "Wenn wir nicht die richtigen Maßnahmen treffen, kann dieses Virus außer Kontrolle geraten."

Allerdings sieht die WHO weiter für alle Länder die Chance, die Ausbreitung noch zu stoppen. "Wenn Sie aggressiv reagieren, können Sie die Ausbreitung stoppen und Menschenleben retten", sagte Tedros. Dazu gehörten frühe Entdeckung, Isolation von Patienten und die Überwachung von Menschen, die mit Infizierten in Kontakt waren. Tedros bezeichnete die Lage in Italien, im Iran und in Südkorea, wo jeweils zahlreiche Fälle aufgetaucht sind, als besorgniserregend. "Das Virus respektiert keine Grenzen, kein Volk", warnte Tedros. Mit den richtigen Maßnahmen sei die Welt aber nicht wehrlos.

Die WHO rief mit Blick auf den Erreger bereits am Montag zur Vorbereitung auf eine "mögliche Pandemie" auf, vor der offiziellen Einstufung der Krankheitswelle als "Pandemie" schreckt sie aber weiterhin zurück. Der Begriff setzt sich aus den altgriechischen Wörtern "pan" für "alles" und "demos" für "Volk" zusammen. Anders als eine Epidemie ist eine Pandemie nicht örtlich beschränkt, sondern breitet sich länder- und kontinentübergreifend aus.

Epidemie oder Pandemie?

Eine Epidemie bezeichnet in der Regel eine Erkrankungswelle. Bestimmte Erkrankungsfälle mit der gleichen Ursache treten vermehrt auf, heißt es vom deutschen Robert Koch-Institut. Eine Epidemie ist zeitlich und räumlich begrenzt. Für eine Pandemie gibt es keine eindeutige Definition, oft ist damit die Ausbreitung einer Krankheit über mehrere Kontinente oder weltweit gemeint.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagt, eine Pandemie sei umgangssprachlich das Auftreten eines neuen Erregers, der sich leicht von Mensch zu Mensch über den Globus ausbreitet. Dazu gehören etwa Grippeviren. Die WHO ruft aber generell keine Pandemien aus. Ihre bereits ausgerufene höchste Alarmstufe im Fall des Coronavirus ist eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite".

Die WHO definiert eine Pandemie als eine Situation, in der die ganze Weltbevölkerung einem Erreger potenziell ausgesetzt ist und "potenziell ein Teil von ihr erkrankt", wie der WHO-Direktor für Notfälle, Michael Ryan, erläutert. Darüber, wie ansteckend oder tödlich die jeweilige Krankheit ist, sagt der Pandemie-Begriff jedoch nichts aus.

„Öffentlicher Gesundheitsnotfall"

Es gebe "Epidemien in verschiedenen Teilen der Erde", die die Länder in verschiedener Weise träfen und passgenaue Maßnahmen erforderten, konstatierte Tedros. Dementsprechend hat die WHO ihre Einstufung des neuartigen Coronavirus seit dem 30. Jänner nicht geändert, als sie dessen Ausbreitung als "öffentlichen Gesundheitsnotfall von internationalem Interesse" einstufte.

Wie das Virus kategorisiert wird, ist laut WHO-Sprecher Tarik Jasarevic ohnehin zweitrangig. "Von Definitionen und Begrifflichkeiten abgesehen bleibt unser Rat derselbe", sagt er.

Nach Einschätzung des Mediziners Bharat Pankhania von der englischen University of Exeter handelt es sich beim neuartigen Coronavirus bereits "in allem außer dem Namen" um eine Pandemie. Es sei "nur eine Frage der Zeit, bis die Weltgesundheitsorganisation anfängt, den Begriff in ihren Mitteilungen zu verwenden".

Pandemie-Einstufung „könnte mehr schaden als nutzen"

Der Infektiologe David Heymann von der London School of Hygiene & Tropical Medicine warnt, die Einstufung als "Pandemie" könne von den wirklich wichtigen Fragen ablenken. "Es ist notwendig, die gegenwärtige Lage in jedem einzelnen Land zu verstehen", sagte er.

Auch Tedros warnte, die Einstufung als "Pandemie" könnte mehr schaden als nutzen. Der Begriff "entspricht derzeit nicht den Fakten", warnte der WHO-Chef. Jetzt sei "nicht die Zeit, sich darauf zu konzentrieren, welches Wort wir verwenden". Selbst wenn die WHO eine Pandemie ausrufen würde, mahnte Tedros, würde dies "heute keine einzige Infektion verhindern und kein einziges Leben retten".

(APA/dpa)

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