Ankara sucht nach Verlust von 33 Soldaten durch syrische Luftangriffe am Donnerstag Unterstützung in der Allianz. Schwere türkische Gegenschläge, extreme Kriegsgefahr.
Nach der Tötung von 33 türkischen Soldaten am Donnerstagabend durch syrische Luftangriffe in der Region Idlib droht eine dramatische Verschärfung des Syrien-Konflikts mit unabsehbaren Konsequenzen auch für Europa. Der Nato-Rat kam am Freitag in Brüssel auf Antrag der Türkei zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte nach der Sitzung, die Bündnispartner stünden zur Türkei. "Wir rufen Russland und das syrische Regime dazu auf, die rücksichtslosen Luftangriffe zu stoppen." Auch müssten sie das Völkerrecht achten.
Die Türkei hatte die Sitzung auf Basis von Artikel 4 des Nordatlantikvertrags beantragt, der Beratungen vorsieht, wenn ein Nato-Mitglied angegriffen wird oder auch nur die eigene Sicherheit bedroht sieht.
Die Türkei forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, eine Flugverbotszone über Syrien einzurichten. "Die internationale Gemeinschaft muss handeln, um Zivilisten zu schützen", schrieb der Kommunikationsdirektor von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Fahrettin Altun, am Freitag auf Twitter.
Russland: „Türken operierten mit Terrormiliz"
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell warnte davor, "in eine große, offene, internationale militärische Konfrontation zu rutschen". Die EU werde alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz ihrer Sicherheitsinteressen prüfen. Russland, das anders als die Türkei in Syrien die Regierung von Machthaber Bashar al-Assad unterstützt, beschloss die Verlegung von zwei Kriegsschiffen vor die syrischen Küste.
Moskau als Schutzmacht der syrischen Regierung meldete sich am Freitag mit dem Vorwurf zu Wort, die getöteten Türken seien mit der Al-Kaida-nahen islamistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) unterwegs gewesen. Ankara wies das umgehend zurück. "Ich möchte klarstellen, dass während dieses Angriffs keine bewaffneten Gruppen in der Nähe unserer Truppen waren", sagte Verteidigungsminister Hulusi Akar.
Allerdings schien die Eskalation dazu beigetragen zu haben, dass ein zuvor fraglich gewordenes Treffen Erdoğans mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nun wieder auf der Tagesordnung steht. Nach einem Telefonat der beiden am Freitag teilte der Kreml mit, dass sie ein baldiges Treffen auf höchster Ebene vereinbart hätten. Beide hätten sich "zutiefst besorgt" über die Lage in der Provinz Idlib gezeigt.
Türkisches Ultimatum läuft am Samstag ab
Erdoğan hat Assad wiederholt mit Krieg gedroht, sollte sich das syrische Militär in Idlib nicht bis Ende Februar aus einem bestimmten Gebiet zurückziehen. Ein Ultimatum der Türkei läuft Samstagnacht aus.
Bei Angriffen der Türken mit Artillerie und Flugzeugen auf syrische Stellungen sind umgekehrt nach Angaben von Beobachtern am Donnerstag und Freitag mindestens 16 syrische Soldaten getötet worden. Verteidigungsminister Akar sagte, man habe mehr als Ziele angegriffen und dabei 309 Soldaten "neutralisiert". Außerdem seien fünf Helikopter, 23 Panzer und Gebäude eines Hauptquartiers zerstört worden.
In der letzten Rebellenhochburg des Bürgerkriegslandes Syrien sind die Truppen der syrischen Regierung mit russischer Hilfe auf dem Vormarsch, die Verteidiger werden von der Türkei unerstützt. Hunderttausende Menschen fliehen in Richtung Türkei.
(ag.)