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Durststrecke für Österreichs Industrie

Der Stahlkonzern Voestalpine schickt 950 seiner Mitarbeiter ab März in die Kurzarbeit.
Der Stahlkonzern Voestalpine schickt 950 seiner Mitarbeiter ab März in die Kurzarbeit.(c) BARBARA GINDL / APA / picturedesk
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Die heimische Industrie schwächelt, seit dem dritten Quartal befindet sie sich in einer Rezession. Zwar gab es zu Jahresbeginn wieder etwas Hoffnung, doch dann kam das Coronavirus.

Wien. Maue Zahlen beim Faserhersteller Lenzing, Gewinnwarnungen beim Stahlkonzern Voestalpine und ein Ergebniseinbruch beim Leiterplattenhersteller AT&S. In Österreichs Industrie lief im vergangenen Jahr wahrlich nicht alles rund. Durch das Coronavirus könnte sich die triste Lage nun verschärfen – oder zumindest noch eine ganze Weile hinziehen.

„Bereits seit Anfang 2019 hat sich die Stimmung in der Industrie verschlechtert“, sagt Wifo-Ökonom Werner Hölzl. Der Handelskonflikt und die daraus resultierende Schwäche der internationalen Wirtschaft ließen auch Österreichs Firmen nicht kalt. Sie bedienen schließlich nicht den Heimatmarkt allein, sie sind von der Exportwirtschaft abhängig.

Und diese geriet global unter die Räder. Nach zwei Jahren mit zweistelligen Zuwachsraten fiel beispielsweise der gesamte chinesische Außenhandel 2019 erstmals um ein Prozent. Zwar legten die Ausfuhren aus dem Reich der Mitte zu, doch sanken die Importe um 2,8 Prozent. Das sitzt.

Und so rutschte Österreichs Industrie im dritten und vierten Quartal des Vorjahres in die Rezession. Damit einher geht auch ein „historisches Auseinanderdriften der Konjunktur in der Industrie und im Dienstleistungssektor“, sagt Hölzl. „Eine so große Entkoppelung haben wir bisher noch nicht gesehen.“ Kurzfristig dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen, langfristig sollte sie aber nicht anhalten. „Derzeit ist die Konjunktursituation bei den Dienstleistungen gut, in der Sachgütererzeugung eher schlecht. Die Gretchenfrage ist, wie lang das noch so weitergehen wird.“

Für das Jahr 2020 hatte das Wifo zunächst noch ein Wachstum von 0,4 Prozent in der Industrie angenommen. Doch da war das Coronavirus praktisch noch kein Thema. Neue Daten dazu werden die Wirtschaftsforscher erst im März publizieren. Wie diese ausfallen, lässt sich freilich nicht sagen. Bisher ging man noch von „keinen großartigen Verschlechterungen“ für das laufende Jahr aus. Ob diese Prognose hält, wird sich weisen.

Deutlich mehr Kurzarbeit

Zu Jahresbeginn hatte es noch danach ausgesehen, dass sich die Lage entspannt. Die USA und China hatten sich im Handelsstreit angenähert, und die Exportaufträge in der heimischen Industrie stiegen erstmals seit Langem. Der Einkaufsmanagerindex signalisierte im Februar sogar das erste Wachstum seit einem Jahr.

Aber: nur die Hälfte der vom Index ausgewiesenen Verbesserung war auf eine echte Geschäftsbelebung zurückzuführen, die andere Hälfte war eine Folge verlängerter Lieferzeiten. Letzteres wird häufig als Anzeichen einer gestiegenen Nachfrage interpretiert, sagt Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl. „Angesichts des Coronavirus müssen wir aber darauf schließen, dass die Lieferketten ausgefallen sind und es deshalb längere Wartezeiten gibt.“ Und: Die Index-Umfrage wird in den ersten Wochen eines Monats erstellt. Die Ausbreitung des Virus war damals großteils auf China beschränkt.

Tatsache ist, dass in „die leicht beginnende Erholung nun die Entwicklung mit dem Coronavirus hineinspielt“, so Pudschedl. Zuletzt stiegen die Produktionszahlen in der Industrie gegenüber dem Vormonat zwar an. Doch müsse man mit rückläufigen Auftragseingängen rechnen, und „dann wird man künftig auch weniger produzieren“.

Die Beschäftigung in der Industrie ist saisonbereinigt jedenfalls schon zurückgegangen, sagt Pudschedl. Dies dürfte wohl weitergehen. Beim Arbeitsmarktservice waren mit Stand Mitte Februar 1746 Beschäftigte aus 21 Firmen zur Kurzarbeit angemeldet. Per Ende Oktober waren es noch rund 1230 aus 14 Betrieben. Ab März kommen allerdings rund 300 Mitarbeiter von Kässbohrer, einem Hersteller von Fahrzeugtransportern, hinzu. Und 950 von der Voestalpine. „Wir haben gedacht, dass es im ersten Halbjahr einen Aufschwung in der Industrie geben könnte“, sagt Pudschedl. Dieser ist nun infrage gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2020)

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