"Frühlingsschild"

Türkei startet massive Vergeltungsangriffe in Syrien

Mit dem Tod von drei Dutzend türkischen Soldaten erreichte derKonflikt mit Syrien eine neue Stufe der Eskalation. DieTürkei greift nun erneut in dem Bürgerkriegsland an.

Nach dem Tod von 36 türkischen Soldaten in Syrien hat die Türkei in dem Nachbarland massive Vergeltungsangriffe gestartet. Bei dem neuen Einsatz "Operation Frühlingsschild" schoss die Türkei nach eigenen Angaben zwei syrische Kampfflugzeuge ab, die türkische Jets angegriffen hätten.

Zudem habe die Türkei eine Drohne, acht Helikopter und mehr als 100 Panzer der Regierung von Präsident Bashar al-Assad zerstört, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Sonntag. Damit wuchs auch die Gefahr einer direkten Konfrontation der Türkei mit Assads Verbündetem Russland.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat am Sonntag ein EU-Außenministertreffen in dieser Woche angekündigt, um die anhaltenden Kämpfe in der syrischen Provinz Idlib zu beraten. Die andauernden Kämpfe in und um Idlib seien eine ernsthafte Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit. Sie lösten auch ein unendliches Leid in der Bevölkerung aus. Borrell rief die beteiligten Parteien dazu auf, wieder zu einem politischen Prozess zurückzukehren. Nach den Worten von Borrell verfolgt die EU außerdem die Migration an ihren Außengrenzen.

Bei den beiden syrischen Kampfjets handelt es sich nach Angaben aus Ankara um Flugzeuge des Typs SU-24 aus russischer Produktion. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und die syrische Staatsagentur Sana berichteten von dem Abschuss zweier syrischer Kampfflugzeuge in der Provinz Idlib. Das Verteidigungsministerium in Moskau wies unterdessen die Berichte über einen Abschuss des Suchoi-Kampfjets vom Typ SU-24 der russischen Luftstreitkräfte in Idlib zurück. Es handle sich um "Fake"-News.

Die Regierung in Damaskus sperrte im Zuge der türkischen Angriffe den Luftraum im Nordwesten des Landes. Flugzeuge und Drohnen dürften dort und insbesondere über Idlib nicht mehr fliegen, teilte die syrische Armee der Agentur Sana zufolge mit. "Jedes Flugzeug, das unseren Luftraum verletzt, wird als feindlich eingestuft und abgeschossen."

Über die genaue Zahl der Todesopfer durch die Angriffe herrschte am Sonntag Unklarheit. Der türkische Verteidigungsminister Akar sagte, es seien mehr als 2.000 syrische Soldaten "außer Gefecht gesetzt worden". Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte dagegen mit, dass insgesamt etwa 70 Soldaten der syrischen Regierung und deren verbündeter Milizen getötet worden seien.

Eine militärische Konfrontation der Türkei und Russland rückte in greifbare Nähe. Kommende Woche ist ein Treffen zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin geplant. Die Außenminister beider Länder telefonierten in Vorbereitung auf dieses Treffen miteinander. Ziel sei, die Atmosphäre für einen "ergebnisorientierten Dialog" beider Staatschefs zur Lösung des Konflikts zu schaffen, teilte das russische Außenministerium mit.

Der türkische Verteidigungsminister Akar betonte, die Türkei habe kein Interesse an einem Konflikt mit Russland. Sie wolle vielmehr das "Massaker" der syrischen Regierung beenden und eine neue Migrationswelle verhindern. Er appellierte erneut an Russland, für ein Ende der Angriffe auf Damaskus einzuwirken.

Erdogan hatte der syrischen Regierung mit einem Militäreinsatz bis Ende Februar gedroht, sollte sich deren Truppen in der Provinz Idlib nicht zurückziehen. Am Samstag verkündete er dann die neuen Angriffe in Istanbul. Dabei seien Anlagen zum Bau von Chemiewaffen sowie Luftabwehrsysteme und Landebahnen zerstört worden, sagte Erdogan. Mehr als 300 Militärfahrzeuge seien zerstört worden, darunter mehr als 90 Panzer. Die syrische Regierung stritt die Behauptungen umgehend ab und warf Erdogan "irreführende" Aussagen und Übertreibung vor.

Die Türkei hatte zuvor schon drei Mal militärisch in Nordsyrien eingegriffen. Im Oktober hatte sie östlich des Flusses Euphrat eine international umstrittene Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG begonnen, die die Türkei als Terrororganisation ansieht. Russland als Schutzmacht Assads und die Türkei hatten sich anschließend darauf verständigt, nordsyrische Grenzgebiete zur Türkei gemeinsam zu kontrollieren. Die YPG sollte sich zudem aus dem Grenzgebiet zurückziehen.

Im Jahr 2016 hatte die Türkei mit der Offensive "Schutzschild Euphrat" in der Umgebung des syrischen Orts Jarabulus die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) von der Grenze vertrieben, aber auch die Kurdenmiliz YPG bekämpft. Anfang 2018 hatte die türkische Armee mit von ihr unterstützten Rebellen in einer Offensive gegen die YPG die kurdisch geprägte syrische Grenzregion Afrin eingenommen.

(APA/dpa)

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