Transparenz: "Röntgenbild" mit Schönheitsfehlern

Transparenz Roentgenbild Schoenheitsfehlern
Transparenz Roentgenbild Schoenheitsfehlern(c) Www.BilderBox.com
  • Drucken

Die Transparenzdatendank ist ein ambivalentes Produkt. Mit ihr gehen einige Unsicherheitsfaktoren und Schwachpunkte einher. Parteispenden sind nicht in der neuen Datenbank, die ÖBB wurde vom Einblick ausgenommen.

Wien. Freud und Leid der österreichischen Sozialpolitik lagen am Dienstagvormittag nah beieinander. Draußen, auf dem Wiener Ballhausplatz, demonstrierten führende Gewerkschafter gerade gegen Budgetkürzungen und für eine Sozialmilliarde, als die Regierungsspitze im klimatisierten Kanzleramt Werbung in eigener Sache betrieb: Man habe sich soeben auf die Mindestsicherung, eine SPÖ-Forderung, und eine Transparenzdatenbank, eine Idee der ÖVP, geeinigt, frohlockten Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll in trauter Zweisamkeit.

Mit diesem Kompromiss beschreite die Koalition „den Pfad der Sparsamkeit und des sozialen Ausgleichs zugleich“, sagte Faymann. Pröll schickte nach, dass jetzt endlich „Missbrauch und Doppelgleisigkeiten“ aufgespürt werden könnten. Doch so einfach ist die Sache auch wieder nicht. Denn die Transparenzdatendank ist ein ambivalentes Produkt. Ihre Pluspunkte:

Zeitplan: Die Datenbank wird vom Bund 2011 eingeführt, die Länder sollen nach einem Etappenplan bis 2012 folgen.

Überblick für den Einzelnen: Der Betroffene (Einzelperson oder Firma) erhält per Mausklick einen Überblick, wie viel Geld ihm monatlich aus Nettoeinkommen und Sozialleistungen der öffentlichen Hand bleibt, und wie viel Steuern er zahlen muss. Zugreifen kann nur die jeweilige Person, Einblicke in das Haushaltsbudget des Nachbarn sind nicht möglich.

Keine Beschränkung auf Transfers: Die Datenbank umfasst nicht nur Transferleistungen (Zahlungen ohne direkte Gegenleistung), sondern auch Förderungen, Steuerersparnisse, Sozialversicherungs- und Sachleistungen.

Parteienförderung: Auch die staatliche Parteienförderung wird in der Transparenzdatenbank enthalten sein. Deren Gesamtsumme beläuft sich laut dem Politologen Hubert Sickinger auf immerhin 171,2 Millionen Euro pro Jahr.

Verwaltungsreform: Faymann verabschiedete sich am Dienstag von der alten SPÖ-Diktion vom „Neidkonto“ und sprach plötzlich von einem „ordentlichen Röntgenbild“ der heimischen Förderlandschaft. Wohin die Reise gehen soll, daraus machte der Kanzler kein Hehl: „Was macht ein Arzt mit einem Röntgenbild? Er zieht die richtigen Schlüsse. Das werden wir auch tun.“ Kurzum: Die Datenbank sei eine Voraussetzung für die Verwaltungsreform.

Allerdings gehen mit der Neuerung einige Unsicherheitsfaktoren und Schwachpunkte einher:

Unberechenbare Länder: Transparenz ist nur dann gegeben, wenn auch die Leistungen der Länder und Gemeinden in die Datenbank miteinbezogen werden. Bloß was passiert, wenn sich einige Länder weigern, ihre Daten preiszugeben? Der Bund droht in diesem Fall mit einem Verfassungsgesetz im Sommer/Herbst 2011. Doch davon geht Pröll vorerst nicht aus, er will nun alle von der Notwendigkeit überzeugen. Man darf gespannt sein, ob diese Taktik auch in den SPÖ-geführten Ländern aufgeht.

Parteispenden bleiben geheim: Die Koalitionsparteien wollen zwar Transparenz, allerdings nicht bei sich selbst: Die Parteispenden bleiben weiter im Dunkeln. Das Argument der Regierung lautet: Es gehe hier um eine Transfer-, nicht um eine Spendendatenbank.

Nutzung: Die anonymisierten Daten dürfen nur nach einem Regierungsbeschluss „ausgewertet“ werden. SPÖ und ÖVP könnten einander also theoretisch blockieren.

ÖBB ausgeklammert: Unter anderem bleiben die ÖBB – etwa Sondertickets für Eisenbahner –, aber auch Kammern ausgeklammert.

AUF EINEN BLICK

Transparenzdatenbank. Diese neue Datei über Sozialleistungen und Förderungen wird kommende Woche im Nationalrat mittels Entschließungsantrag gefordert. Sie soll für den Bund ab 2011, für die Länder spätestens ab 2012 kommen. Gleichzeitig wird im Nationalrat die soziale Mindestsicherung, die ab 1. September 2010 bezahlt wird, beschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30. Juni 2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

„Falle“ für viele Familien in Wien

Neue Warnung des Transferexperten: Anreiz für Sozialleistungen statt Arbeit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.