Gastbeitrag

Gute Gründe für Studentenrückgang

CAMPUS DER WIRTSCHAFTSUNIVERSITAeT WIEN: VORLESUNGEN 'SOMMERUNI'
CAMPUS DER WIRTSCHAFTSUNIVERSITAeT WIEN: VORLESUNGEN 'SOMMERUNI'APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Die Zahl der Studierenden ist an öffentlichen Unis das dritte Jahre in Folge gesunken. Ist das in jedem Fall schlecht?

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare"

Das dritte Jahr in Folge sind die Studierendenzahlen an öffentlichen Universitäten gesunken. Das ist aber nicht nur schlecht. Erklärt wird das Phänomen der sinkenden Studierendenzahlen mit der Bevölkerungsentwicklung. Die Zahl der Maturantinnen und Maturanten sinkt konstant. Daran wird sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern. Zusätzlich findet eine Umverteilung hin zu FHs und Privatuniversitäten statt, die ihre Plätze aufstocken, während Universitäten aufgrund chronischer Unterfinanzierung und Kapazitätsprobleme Plätze reduzieren mussten. Beides begründet, dass die Zahlen an den öffentlichen Universitäten generell sinken. Nicht aber, dass es so große Unterschiede zwischen den Institutionen gibt.

Den höchsten Rückgang bei den Studienanfängerinnen und -anfängern in den Bachelorstudien verzeichnete die Wirtschaftsuniversität Wien (WU), nämlich rund 1000 Personen. Wie erklärt sich dieser Rückgang, während die Zahlen andernorts stagnieren oder leicht steigen? Nicht allein mit demografischen Entwicklungen und neuen Aufnahmeverfahren, sondern auch mit Studienwahlmöglichkeiten, die an einer Universität geboten werden. An der WU haben seit diesem Studienjahr alle drei Bachelorstudien ein Aufnahmeverfahren. Ein Ausweichen auf ein Studium mit freiem Zugang ist nicht mehr möglich, wird aber oft präferiert. Das zeigte sich sehr deutlich an der WU: Als 2013 das Aufnahmeverfahren im Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo) eingeführt wurde, fielen die Erstinskriptionszahlen dort um rund 2000, stiegen aber bald darauf im selben Ausmaß im ungeregelten Wirtschaftsrechtsstudium.

Aufnahmeverfahren haben durchaus positive Effekte...

Das schlug sich aber im Wirtschaftsrechtsstudium nicht gleichermaßen in den Zahlen der Prüfungsaktiven nieder. Nur rund 700 Personen absolvierten 16 ECTS pro Studienjahr, über 70 Prozent waren prüfungsinaktiv, rd. 25 Prozent davon (~800 Personen) legten keine einzige Prüfung ab. Die mit dem Ministerium ausverhandelte Zahl von 870 basiert daher auf Erfahrungen und adressiert Studierende, die sich wirklich für ein Wirtschaftsrechtsstudium interessieren. Selbst moderate Aufnahmeverfahren haben durchaus positive Auswirkungen. Während die Zahl der Beginnerinnen und Beginner in WiSo nach Einführung des Aufnahmeverfahrens stark sank, verdoppelte sich die Zahl der Prüfungsaktiven und die Drop-out-Quote sank. Insofern ist die Reduktion von Studienplätzen und ein Rückgang der Studierendenzahlen nicht unbedingt eine Hiobsbotschaft. Die Nachfrage an Studienplätzen in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften hat an den österreichischen Universitäten in Summe nicht den angebotenen Plätzen entsprochen: Nur die WU konnte alle Aufnahmeverfahren tatsächlich durchführen.

...demografische Entwicklungen nicht

Problematisch ist ein starker Rückgang insofern, als Universitäten aufgrund der neuen Finanzierung verpflichtet sind, die Prüfungsaktiven in absoluten Zahlen zu steigern. Wie prognostiziert, sinkt die Zahl der jungen Menschen und damit auch der Erstsemestrigen, eine Steigerung in absoluten Zahlen ist damit unmöglich. Fangen in einem Jahr 1000 Studierende an und sind davon 700 Personen (70 Prozent) prüfungsaktiv, beginnen im Folgejahr aber nur noch 900 Personen, und davon sind 675 prüfungsaktiv (also 75 Prozent), sinkt die Zahl der Prüfungsaktiven trotz prozentueller Steigerung. Es bleibt zu hoffen, dass Universitäten nicht für demografische Entwicklungen bestraft werden, die nicht in ihrem Einflussbereich liegen.

Univ.-Prof. Edeltraud Hanappi-Egger ist seit 2015 Rektorin der WU Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.