Kino

So schön war Emma noch nie

Was für eine wunderbare Mädchenfreundschaft: Mia Goth als naive Harriett, Anya Taylor-Joy als gewitzte Emma.
Was für eine wunderbare Mädchenfreundschaft: Mia Goth als naive Harriett, Anya Taylor-Joy als gewitzte Emma.(c) Liam Daniel
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Autumn de Wilde verfilmt den Roman von Jane Austen mit viel Witz, Herz und einer auch Modemuffel mitreißenden Freude an schönen Stoffen und Geschmeide.

Auftritt Emma. Im Morgengrauen. Munteren Schritts, zu den Klängen eines beschwingten Menuetts, begibt sie sich ins nahe Gewächshaus. Zwei Bedienstete begleiten sie. Einer leuchtet ihr mit einer kleinen Laterne voraus, eine andere ist dazu da, um auf einen knappen Fingerzeig hin die richtige, die perfekte Rose für einen Blumenstrauß abzuschneiden. Wie bezaubernd anzusehen ist Emma, in ihrem weißen Empire-Kleidchen. Wie erlesen der Strauß. Tja, die junge Dame hat Geschmack, zeigt uns Autumn de Wilde mit den ersten Bildern ihres Regiedebüts. Und sie ist ein verzogener Fratz.

Man könnte es auch höflicher mit Jane Austen formulieren: „Hübsch, klug und reich“ sei Emma, die jüngere Tochter eines „äußerst nachsichtigen Vaters“ und schon „fast einundzwanzig Jahre auf der Welt, ohne je wirklich Schweres oder Beunruhigendes erlebt zu haben“. Mit Emma hat Austen eine Figur erschaffen, von der sie überzeugt war, dass keiner außer ihr selbst sie besonders mögen würde. Aber darin hat sie sich wohl getäuscht: Wir alle sind der neugierigen und gewitzten Miss Woodhouse verfallen. Auch wenn sie immer alles besser zu wissen glaubt. Auch wenn sie Ehen stiftet (und verhindert), wie andere Karten spielen, zum Zeitvertreib und ohne die Konsequenzen recht zu bedenken. Es würde ihr guttun, wenn sie sich einmal richtig verliebte, meint ein Freund der Familie. Und das wird auch passieren.

Es gibt zahllose Jane-Austen-Verfilmungen: Romantisch-kluge wie „Sinn und Sinnlichkeit“ von Ang Lee. Mit bissigem Witz für sich einnehmende wie „Love and Friendship“ von Whit Stillman. Poppig liebenswerte wie Amy Heckerlings Teenie-Komödie „Clueless“. Und jede Menge Kostümschinken, natürlich.

Liebesschwur mit blutender Nase

„Emma“ ist mit Abstand die Schönste. Man sieht, dass Autumn de Wilde zunächst als Modefotografin Karriere gemacht hat. Diese sinnliche Freude an schönen Stoffen und Geschmeide, diese Korall-Ohrringe zum blassen Teint, diese pastellfarbenen Kleider, diese Schleifen und Rüschen und hübsch gesteckten Locken!

Und sie ist die Unbekümmertste. Hier ist alles leicht und hell, die Streichquartette, die Landschaften, die Liebe. Freilich gibt es manchen Kummer, fließen Tränen, und natürlich leiden wir mit Emma, als sie glauben muss, der von ihr Begehrte sei einer anderen zugetan. Doch zu keinem Zeitpunkt wird der Zuschauer auch nur vom leisesten Zweifel geplagt, dass nicht alles zu einem guten Ende kommen werde. Wir wissen: Die von Anya Taylor-Joy mit der rechten Mischung aus Charme und Trotz gespielte Emma Trotzkopf wird ihr Glück finden.

Autumn de Wilde hat keine Angst vor kleinen Gesten, die von großen Gefühlen künden, von einer Hand, die sacht auf einer Taille ruht, von einem Blick, der eine Sekunde zu lang währt. Die Liebe! Und während sie noch in diesen Momenten schwelgt, fällt ihr verlässlich etwas ein, diese Idylle zumindest ein klein wenig zu stören. Als das Paar sich endlich findet, nach ach wie vielen Umwegen, blutet Emma aus der Nase, ein roter, verschmierter Fleck verunziert das ebenmäßige Gesicht. Und was ist das da für eine groteske Schleife? Und dort: Baumelt etwa Christbaumschmuck aus der Frisur? Die Mode ist hier immer wieder für einen Gag gut, genauso wie die Musik: Isobel Waller-Bridge, die den Soundtrack für „Fleabag“ beisteuerte, findet für jede Pointe den rechten Flötenton, das passende muntere Triangel-Geklingel.

Vielleicht ist dabei mancher Witz zu grob, allzu offensichtlich macht sich der Film über den hypochondrischen Vater lustig, der beim leisesten Luftzug sich zu erkälten droht, die Schwester Emmas wird das Opfer von Spott, wenn sie die Krankenschwester ruft, nur weil das Baby aufstößt. Und sogar das männliche Objekt der Begierde wird zum Hampelmann, wenn er sich von seinem Diener umständlich die Stutzen anziehen lässt. Jane Austen war da subtiler.

Wobei: Hingeschaut hat sie auch. Komisch fand sie es ebenfalls. Und ein Spaß ist dieser Film in jedem Fall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2020)

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