Flüchtlingspolitik

"Klar, wer Täter ist": Türkis-Grün wirft Erdogan "Erpressung" vor

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP)APA/ROLAND SCHLAGER
  • Drucken

Die Regierung übt scharfe Kritik am Vorgehen des türkischen Präsidenten. Vizekanzler Kogler räumt ein, seine Aussage, im Ernstfall Kinder aus griechischen Flüchtlingsquartieren nach Österreich zu holen, sei „eine persönliche Meinung“ gewesen.

Schon um 8 Uhr kamen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Innenminister Karl Nehammer, Außenminister Alexander Schallenberg und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (alle ÖVP) am heutigen Dienstag zusammen, um die aktuellen Entwicklungen in Syrien und der Türkei zu besprechen. Am Ende der Unterredung stand scharfe Kritik in Richtung Präsident Recep Tayyip Erdogan: Es sei „klar, wer der Täter ist“, hieß es von der Regierungsspitze: Der Ansturm von 13.000 Migranten auf die türkisch-griechische Grenze sei von diesem bewusst organisiert worden, um die EU zu erpressen.

„Es handelt sich um eine bösartige Provokation des türkischen Präsidenten", sagte Kogler, sein Verhalten sei ein „Angriff auf die EU und Griechenland". Die Menschen seien von türkischer Seite teils in Autobussen und unter falschen Versprechungen an die Grenze gekarrt worden, wo es noch vor einer Woche keine "humanitäre Krise" gegeben habe. Es handle sich um einen „organisierten Ansturm", ergänzte Kurz. Diesem „Erpressungsversuch Erdogans" müsse man die Stirn bieten, waren sich der Kanzler, sein Vizekanzler und der Innenminister einig. Der türkische Präsident würde die Migranten in einer „menschenunwürdigen Weise" missbrauchen.

Bei den Menschen, die nun an die Grenze gebracht worden seien, handle es sich zudem nicht direkt um Flüchtlinge aus der syrischen Krisenregion Idlib, vielmehr hätten sie sich schon längere Zeit in der Türkei aufgehalten. Die Türkei hat rund 3,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen und dafür finanzielle Unterstützung von der EU erhalten.

Drei Millionen Euro für Idlib

Für die Region Idlib würden nun drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds an humanitärer Hilfe freigegeben, wurde angekündigt. Diese sollten in Kooperation mit dem Roten Kreuz (IKRK) und dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR zweckgebunden vor Ort eingesetzt werden. Bezüglich der kritischen Situation von Flüchtlingen und Migranten auf griechischen Inseln erinnerte Kurz daran, dass die EU bereits Milliarden an Hilfs- und Unterstützungsgeldern an Griechenland überwiesen habe.

Kogler: Aussage zu Kindern war „eigene Meinung“ 

Wie die Stimmung während der Sitzung war, konnte nur erahnt werden. Der Hintergrund: Kogler hatte am Montag die Schaffung menschenwürdiger Bedingungen für Migranten auf griechischen Inseln gefordert und betont: "Wenn das nicht gelingt, sind wir dafür, Frauen und Kinder herauszuholen." Wenige Stunde später, erteilte ihm Nehammer dafür eine Absage: "Wir haben nicht vereinbart, dass wir Frauen oder Kinder zusätzlich nach Österreich holen." Am Dienstag klang das nun folgendermaßen: Sein Vorstoß, so Kogler, sei eine „persönliche Meinung" gewesen. Es falle ihm aber auch „kein Zacken aus der Krone", wenn es dafür keine Mehrheit gebe.

Dass es dazu kommen wird, ist unwahrscheinlich, lehnten Kurz und Nehammer doch sogleich ab: Persönliche Meinungen würden zwar respektiert, ließ Nehammer wissen, Österreich sei aber seit 2015 durch die Migrations- und Flüchtlingsfrage ohnehin schon massiv belastet. Es gebe etwa Probleme, Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu sei bei der Aufnahme von Frauen und Kindern in weiterer Folge der Familienzuzug zu beachten. Daher könnten keine weiteren Personen hinzugenommen werden.

Nehammer richtetet auch einen expliziten Appell an alle Migranten, die in die EU oder nach Österreich streben würden: "Wir werden sie nicht aufnehmen, es hat keinen Sinn zu kommen." Ein Schwerpunkt sei weiterhin der verstärkte Schutz der EU-Außengrenzen, um eine Situation wie beim Flüchtlingsansturm 2015 zu vermeiden.

Mitreden

Was soll Österreich angesichts der drohenden Flüchtlingskrise tun? Diskutieren Sie mit!

>>> Hier geht's zum Forum

(Red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild: Flüchtlinge
Reaktionen

SPÖ: "Leid von Kindern und Frauen kann uns nicht kalt lassen"

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner spricht sich für einheitliche EU-Asylverfahren aus. Die FPÖ fordert Übungen von Polizei und Bundesheer, "um sicherzustellen, dass das System funktioniert".
Innenminister Karl Nehammer: "Ich bin überzeugt, dass die Regierung eine gute Lösung finden wird"
Türkis vs. Grün

Flüchtlingskinder von Inseln holen? ÖVP erteilt Kogler Absage

Innenminister Nehammer lehnt den Vorschlag von Vizekanzler Kogler ab: "Wir haben nicht vereinbart, dass wir Frauen oder Kinder zusätzlich nach Österreich holen."
Werner Kogler und Sigrid Maurer
Migration

Kogler: Im Notfall Kinder von griechischen Inseln holen

Vizekanzler nennt das Vorgehen des türkischen Präsidenten eine "bösartige Aktion und einen Hilferuf zugleich". Klubchefin Maurer sieht keinen Anlass für türkis-grünen Krisenmechanismus.
Turkish military members stand near Turkey's Pazarkule border crossing with Greece's Kastanies, near Edirne
Türkei

Rendi-Wagner: EU hat sich nach Türkei-Flüchtlingsdeal "zurückgelehnt"

Die SPÖ will einen EU-Sondergipfel zur Lage an der türkisch-griechischen Grenze. Die FPÖ fordert ein Schließen der österreichischen Grenzen.
Ein Flüchtlinge am verbarrikadierten Grenzübergang nach Griechenland in Pazarkule.
Flüchtlinge in der Türkei

Kanzler Kurz: "Dann wird Österreich seine Grenzen schützen"

Der Kanzler setzt primär auf den Schutz der EU-Außengrenze. Außenminister Schallenberg bestellt den türkischen Botschafter ein.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.