Der Bundespräsident plädiert dafür, dass sich Österreich "in bestimmtem Ausmaß" an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligt - und stellt sich damit hinter Grünen-Chef Kogler. Auch erinnert er an leer stehende Asylunterkünfte im Land.
Die türkis-grüne Regierung sucht beim Thema Umgang mit Flüchtlingen den gemeinsamen Weg. Nach der Ausräumung erster Auffassungsunterschiede - während Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im Ernstfall Frauen und Kinder aus Flüchtlingsquartieren auf griechischen Inseln holen möchte, lehnen Kanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) ab - dürfte das Thema die Koalitionspartner aber noch länger in Atem halten. Denn: Am Dienstagabend mischte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen in die Debatte ein und meinte, er könne sich vorstellen, Mütter und Kinder unter bestimmten Umständen ins Land zu holen.
Das Staatsoberhaupt sah in der ORF-Sendung „Report“ Österreich als Teil der Europäischen Union gefordert, einen größeren Beitrag in der Lösung der aktuellen Flüchtlingskrise in der Türkei bzw. Griechenland zu leisten: „Wir sollten auch mit der Türkei die entsprechenden Gespräche führen“, meinte er. „Nicht alles, was die Türkei macht ist von vorne herein, sozusagen, polemisch abzuwehren.“
Eine „Koalition der Willigen" würde erdaher gerne unterstützen, bekundete der Bundespräsident. Konkret: Das Land sollte sich „in bestimmtem Ausmaß" an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen.
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Kinder und Frauen sollten dabei Priorität haben, äußerte er Unterstützung für die Haltung von Grünen-Chef Werner Kogler. So lange zumindest auf ersten Blick ein Asylgrund gegeben sei, sollte Österreich Flüchtlinge aufnehmen. Er erinnerte auch daran, dass viele Asylunterkünfte hierzulande wieder leerstünden: „Es stehen ja inzwischen verschiedene Unterkünfte, die 2015, 2016 bereitgestellt wurden, wieder leer – also wir haben die Situation hier in Österreich im Griff; auch wenn es in einzelnen Bereichen schwierig ist, zum Beispiel am Arbeitsmarkt."
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Zur aktuellen Situation international meinte er, die Lage etwa auf der griechischen Insel Lesbos werde als katastrophal beschrieben. "Die Griechen mit dieser Art von Überbesetzung allein zu lassen, widerspricht dem europäischen Gedanken zutiefst", sagte der Bundespräsident. Auch mit der Türkei müsse man reden und dabei "bei der Sprache ein bisschen zurückdrehen". Nicht alles könne man polemisch abtun, schließlich habe die Türkei eine sehr große Zahl betroffener Menschen aufgenommen.
Mehr Hilfe "ansatzweise" im Regierungsprogramm
Die nun von der türkis-grünen Koalition beschlossenen drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für die syrische Region Idlib reiche wahrscheinlich nicht. Mehr Hilfe zu leisten stehe "ansatzweise" im Regierungsprogramm, so der Bundespräsident: "Ich würde mich freuen, wenn es auch umgesetzt wird."
Dass die offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen ÖVP und den Grünen in diesen Fragen die Koalition belasteten, wollte Van der Bellen nicht sehen: "Lassen wir die Kirche im Dorf. Bei jeder Meinungsverschiedenheit davon zu reden, dass die Koalition gespalten ist, würde ich auch nicht tun."
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>>> Van der Bellen im „ORF-Report"
(APA/Red. )