Leitartikel

Das demokratische Establishment schlägt zurück

Democratic U.S. presidential candidate and former Vice President Joe Biden's Super Tuesday night rally in Los Angeles
Democratic U.S. presidential candidate and former Vice President Joe Biden's Super Tuesday night rally in Los AngelesREUTERS
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Joe Biden kristallisiert sich im Marathon-Wahlkampf in den USA doch noch als gefährlichster Herausforderer und potenzieller Angstgegner Trumps heraus.

Joe Biden konnte sein Glück kaum fassen. Nach einer Niederlagenserie zum Auftakt der Vorwahlsaison abgeschrieben und zum Underdog gestempelt, schwang sich der Ex-Vizepräsident nach seinem überlegenen Sieg in South Carolina zum großen Comeback auf. Der programmierte Favorit der Demokraten, der Kandidat der Parteielite, ist wieder zurück in der Spur. Der „Super Tuesday“ demonstrierte die verrückte Achterbahnfahrt des Marathon-Vorwahlkampfs der US-Demokraten, in dem erst Biden vorn lag, dann Elizabeth Warren, Pete Buttigieg und schließlich Bernie Sanders. Sie kamen, und sie gingen im Testlauf gegen Donald Trump. Das Bewerberfeld von zwei Dutzend Kandidaten ist de facto jetzt auf ein Duell Biden versus Sanders geschrumpft.

Die Unterstützung seiner Kontrahenten Buttigieg, Amy Klobuchar und Beto O'Rourke in beinahe letzter Minute und der Kraftakt des moderaten Flügels verhalfen Biden zu einem Siegeszug bei Afroamerikanern wie bei Frauen in den Suburbs – bei entscheidenden Wählerschichten. Plötzlich steht der Obama-Vize wieder da als der potenziell gefährlichste Herausforderer Donald Trumps bei jener Wahl in acht Monaten, die wirklich zählt.

Bernie Sanders war perplex. Den 78-jährigen Sozialisten aus Vermont, getragen von einer Welle der Euphorie unter Studenten und Jungwählern, hat der Biden-Boom auf dem falschen Fuß erwischt. Dahinter steckt eine konzertierte Aktion des Establishments der Partei, die einen Triumph Sanders bei den Vorwahlen und zugleich einen Untergang bei der Wahl im November fürchtet – mehr noch als der überwiegende Rest der Welt. Die Parteigranden versammeln sich hinter Biden, die Spenden sprudeln.
Mit Seitenhieb auf Sanders warnte Biden neulich die Demokraten, die Amerikaner sehnten keine Revolution herbei. Eine Kür Sanders' beim Parteitag im Juli in Milwaukee würde wohl leichtes Spiel für Trump verheißen, der die Opposition als „Sozialisten“ brandmarkt – in den USA weithin ein Schimpfwort. Noch ist Trump-Wunschgegner Sanders nicht geschlagen, und die Demokraten steuern auf einen harten ideologischen Disput zu.

Ein baldiger Ausstieg der linksliberalen Kandidatin Warren, die selbst in ihrer politischen Heimat Massachusetts verloren hat, dürfte Sanders beflügeln. Umgekehrt verleiht das Ende der Bewerbung Bloombergs Joe Biden einen zusätzlichen Schub. Dessen Kalkül eines Spätstarts samt flächendeckendem Werbebombardement ging nicht auf – eine gigantische Geldvernichtungsaktion. Bloomberg schwor überdies, jeden Kandidaten – außer Sanders – im Duell gegen Trump finanziell zu unterstützen.

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