Die Ich-Pleite

Genderbedingte Toilettenungerechtigkeit

(c) Carolina Frank
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Einen sexuellen Übergriff müssen wir auf einer mitteleuropäischen Toilette wirklich nicht befürchten, aber Sexismus in Form von Ignoranz gegenüber weiblichen Bedürfnissen schon.

Am Sonntag ist Internationaler Frauentag, und noch immer ­verbringen Frauen jährlich insgesamt 97  Milliarden Stunden damit, einen sicheren Ort zum Pinkeln zu finden. Sicher, wir leben nicht in Indien oder Somalia. Insofern gehört jede von uns zu den zwei von drei Frauen auf der Welt, die keine Angst haben müssen, dass sie auf dem Weg zur Toilette vergewaltigt werden. Aber auf dem Weg nach oben kann es uns schon passieren, wie wir gerade wieder am Harvey-Weinstein-Prozess gesehen haben. Gut, wir wollen vielleicht keinen Starvertrag mit dem Leben, sondern nur einmal in einem Meeting ausreden dürfen, und gleichberechtigt pinkeln müsste doch möglich sein! Einen sexuellen Übergriff müssen wir auf einer mitteleuropäischen Toilette wirklich nicht befürchten, aber Sexismus in Form von Ignoranz gegenüber weiblichen Bedürfnissen schon. Das merken wir spätestens dann, wenn wir irgendwo in Mitteleuropa ins Kino, in ein Konzert oder Theaterstück gehen. Dort stoßen wir auf genderbedingte Toilettenungerechtigkeit, ohne dass wir überhaupt noch die Tür mit dem Frauensymbol aufgemacht haben. Weil die Schlange nämlich bis ins Foyer hinaus reicht. Warum ist das so? Weil wir Frauen auf der Toilette 2,3-mal so lang brauchen wie Männer. Weil wir mehr zum Aus- und Anziehen haben, die Regel oder ein Kleinkind, dessen Pinkelzeit ebenfalls auf unser Toilettenkonto geht. Trotzdem baut man für Frauen nicht mehr Kabinen. Jaja, es sind oft gerade die kleinen Dinge, an denen man das Patriarchat noch herrschen sehen kann. Das sag ich jetzt nicht, weil ich neulich „Die Dohnal“ im Kino gesehen habe. Obwohl sie dazu vielleicht gesagt hätte: „Aus taktischen Gründen leiser (aus)zu treten hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 06.03.2020)

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