Syrien-Konflikt

Putin und Erdoğan einigen sich auf Waffenruhe und „Sicherheitskorridor“

March 5, 2020. - Russia, Moscow. - Turkey s President Recep Tayyip Erdogan (left) and Russia s President Vladimir Putin
March 5, 2020. - Russia, Moscow. - Turkey s President Recep Tayyip Erdogan (left) and Russia s President Vladimir Putinimago images/Russian Look
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Die beiden Präsidenten demonstrierten bei ihren gestrigen Treffen Eintracht – trotz des zuletzt gestiegenen Misstrauens.

Istanbul/Moskau/Wien. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich bei seinem gestrigen Gipfeltreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach stundenlangen Verhandlungen auf eine Waffenruhe in der zuletzt heftig umkämpften Rebellenprovinz Idlib verständigt. Die Feuerpause sollte am Donnerstag Mitternacht in Kraft treten. Russland und die Türkei würden sich gemeinsam für die Einhaltung der Waffenruhe einsetzen wie auch dafür, dass Hilfsgüter an Syrer in Not gelangen könnten, verlautete aus türkischen Delegationskreisen. Sollten die syrischen Regimetruppen aber weitere Angriffe durchführen, behalte sich die Türkei das Recht vor, militärisch zurückzuschlagen.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu teilte zudem mit, dass nach Inkrafttreten eines Waffenstillstands ein sechs Kilometer tiefer „Sicherheitskorridor“ entlang der strategisch wichtigen Verbindungsstraße M4 in Nordsyrien eingerichtet werden solle. Zudem habe man sich auf gemeinsame türkisch-russische Patrouillen geeinigt.

In Idlib bleib die Situation am Donnerstag weiter angespannt. Das türkische Verteidigungsministerium meldete, dass zwei weitere Soldaten bei Angriffen der Syrer gefallen seien. Erdoğan hatte vor einem Monat Tausende Soldaten nach Idlib geschickt, um den Vormarsch des syrischen Despoten, Bashar al-Assad, zu stoppen und eine Massenflucht von bis zu einer Million Zivilisten in die Türkei zu verhindern.

Bei einem Luftangriff am 27. Februar kamen mehr als 30 türkische Soldaten um. Offiziell macht Ankara die Syrer dafür verantwortlich, doch viele Experten sind sicher, dass russische Kampfjets die türkischen Stellungen bombardierten. In Moskauer war dieser Angriff dann konkretes Thema, wiewohl die Causa Putin unangenehm schien. Er sprach Erdoğan sein Beileid aus und behauptete, dass die syrische Armee, die mit Russland verbündet ist, über den Standort der türkischen Soldaten nicht informiert war.

Moskau und Ankara: So gut sich ihre Beziehungen in den vergangenen Jahren auch entwickelt haben, in Syrien stehen sie an verschiedenen Fronten. Dass die Ereignisse in Idlib den bilateralen Kontakt gefährdeten, davon wollte Erdoğan am Donnerstag nichts wissen. „Am Höhepunkt“ seien die Beziehungen – und sie sollen sich noch weiter verbessern.

Gestiegenes Misstrauen

Es war bereits das dritte persönliche Treffen der beiden Staatschefs in diesem Jahr. Im Jänner hatten sich Putin und Erdoğan zuerst in Istanbul, danach beim Libyen-Gipfel von Berlin gesehen. Vergangenes Jahr hatten sie acht Mal persönlich miteinander gesprochen, dazu kamen etliche Telefonate: Für beide Spitzenpolitiker ist Außenpolitik ein Steckenpferd. Das machte die türkisch-russische Zusammenarbeit einigermaßen berechenbar.
Zwar zeigten sich Erdoğan und Putin in Moskau in Eintracht, doch ist das Misstrauen zwischen den beiden zuletzt größer geworden. Erdoğan habe lang darauf gesetzt, dass Putin zu seinem Wort stehe, schrieb der regierungsnahe türkische Journalist Abdülkadir Selvi in der Zeitung „Hürriyet“. Die Gefechte in Idlib hätten Erdoğans Vertrauen jedoch schwer erschüttert. Putin verhalte sich in Idlib nicht wie ein Staatsmann, sondern wie ein früherer Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB, findet die türkische Seite demnach.

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