Börse

Die Pessimisten haben übernommen

Die Aktien- und Anleihenmärkte preisen derzeit nicht allzu viel Gutes ein.
Die Aktien- und Anleihenmärkte preisen derzeit nicht allzu viel Gutes ein.(c) REUTERS (ANDREW KELLY)
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Anleger nehmen Reißaus an den Aktienmärkten und flüchten in sichere Häfen. Amerikanische Staatsanleihen und Papiere aus Europa haben es ihnen angetan.

Wien. An den amerikanischen Anleihenmärkten spielt sich seit geraumer Zeit Unglaubliches ab: Die Rendite der zehnjährigen Papiere befindet sich seit Herbst 2018 im Sinkflug. Angesichts des damals brodelnden Handelskonflikts zwischen China und den USA und einer sich eintrübenden Weltkonjunktur wenig überraschend. Anleger suchen in unsicheren Zeiten nun einmal nach sicheren Häfen. Was böte sich da Besseres als die weltgrößte Volkswirtschaft mit dem größten Anleihenmarkt an?

Seit die US-Notenbank diese Woche allerdings völlig überraschend ihren Leitzinssatz um 0,5 Prozentpunkte senkte, ist die Rendite der wichtigen amerikanischen Anleihe erneut gehörig ins Rutschen geraten: Denn steigende Kurse führen zu fallenden Renditen. Am Tag des Fed-Entscheids sank sie erstmals unter die Marke von einem Prozent. Am Freitag steuerte die Rendite auf das größte Tagesminus seit den 1950ern zu.

Statt die Ängste der Investoren zu lindern, scheint die US-Notenbank so etwas wie Panik verbreitet zu haben. Außertourliche Zinsentscheidungen hatte es zuletzt im Zuge der Finanzkrise gegeben. Die Investoren sind daher verunsichert, wie stark das Coronavirus die Wirtschaft tatsächlich in Mitleidenschaft ziehen wird. „Am Ende des Tages geht es um die Frage, wie kurzfristig der ökonomische Schock sein wird“, sagt Raiffeisen Research-Experte Franz Zobl.

Die Aktien- und Anleihenmärkte preisen derzeit jedenfalls nicht allzu viel Gutes ein. Daran konnte auch die Fed nichts ändern, die (von ihr) erhoffte Stabilisierung an den Finanzmärkten ist verpufft. „Geldpolitik ist ein breit gefächertes Instrument und nicht dafür geeignet, spezifische Probleme in bestimmten Sektoren zu lösen“, sagt Zobl. Auch Österreichs Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann hält fiskalische Maßnahmen für sinnvoller als geldpolitische, wie er der „Presse“ kürzlich in einem Interview sagte.

Rezession in der Eurozone?

Die Commerzbank hat ihre Wachstumsprognosen für Deutschland und den Euroraum bereits deutlich nach unten gesenkt. Das Institut geht inzwischen von einer leichten Rezession aus.

In der Vorwoche kam es schließlich auch zu einer dramatischen Kurskorrektur an den Börsen, als klar wurde, dass auch Europa – und da vor allem Italien – vom Coronavirus betroffen ist. Die Volatilität an der Börse ist mittlerweile höher als 2011, damals hatte Europa mit einer Staatsschuldenkrise zu kämpfen.

Und so sank der österreichische Leitindex ATX am Freitag vorübergehend auf den tiefsten Stand seit Dezember 2016. Der Frankfurter DAX verlor im Tagesverlauf um über vier Prozent. Im Lauf der vergangenen Tage vernichtete er die Zugewinne mehrerer Monate. Die Flucht aus den Aktien führt nicht nur zu sinkenden Renditen in den USA, auch in Europa macht sie sich bemerkbar. „Die Panik hält die Staatsanleihenmärkte beiderseits des Atlantiks immer stärker in Atem“, sagte Elmar Völker von der LBBW.

Die Rendite deutscher Papiere, die auf dem Kontinent als Maßstab gelten, fiel zum Wochenausklang auf ein neues Rekordtief, ein solches hatte sie zuletzt vergangenen September erreicht. Die Reise nach unten könnte also noch eine Zeit lang so weitergehen. Denn viele spekulieren bereits darauf, dass die amerikanische Notenbank bei ihrer nächsten Sitzung noch einmal gewaltig an der Zinsschraube drehen wird. Viele sehen die Europäische Zentralbank deshalb unter Zugzwang. Doch ist ihr Spielraum angesichts der Negativ- und Niedrigzinsen deutlich geringer als in den USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2020)

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