Regierung

Sebastian Kurz will statt Flüchtlinge aufzunehmen Spendengelder verdoppeln

Kanzler Kurz: Wer Frauen und Kinder aufnimmt, nimmt genauso die Väter und die Männer auf
Kanzler Kurz: Wer Frauen und Kinder aufnimmt, nimmt genauso die Väter und die Männer aufAPA/HERBERT P. OCZERET
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Kanzler Sebastian Kurz bleibt bei seiner Linie zur Asylpolitik – und die soll auch die Linie der Regierung sein. Menschen aus dem türkisch-griechischen Grenzgebiet werde man nicht aufnehmen. Es gibt andere Pläne.

Wien. ÖVP und Grüne sind sich nach wie vor uneinig, wie sie auf die Lage an der türkisch-griechischen Grenze reagieren sollten. Doch Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz bleibt dabei, dass die Linie seiner Partei auch jene der Bundesregierung ist. Am Sonntag bekräftigte Kurz also ein weiteres Mal, keine zusätzlichen Flüchtlinge in Österreich aufnehmen zu wollen. „Wer Frauen und Kinder aufnimmt, nimmt genauso die Väter und die Männer auf“, sagt er in der ORF-„Pressestunde“ und wies den Ruf nach einer humanitären Aktion zurück.
Kurz setze weiterhin auf „Hilfe vor Ort“. In welcher Höhe? Das hängt unter anderem von einer Spendenaktion ab. Die Regierung will alle Mittel, die bis Ostern über die ORF-Aktion „Nachbar in Not“ für die Flüchtlinge im syrischen Idlib gesammelt werden, aus ihrem Auslandskatastrophenfonds verdoppeln, kündigte Kurz an. „Die treffsicherste Hilfe ist vor Ort und nicht der Versuch der unbeschränkten Aufnahme in Europa.“
Mit martialischen Worten warnte Kurz davor, dass sich Millionen Menschen auf den Weg machen könnten, „wenn die türkisch-griechische Grenze fällt“. „Wir haben Millionen Menschen, die sich auf den Weg machen wollen, wenn sie den Eindruck haben, dass sie durchkommen“, sagte er. Weltweit seien 100 Millionen Menschen auf der Flucht. „Das ist keine Übertreibung, sondern das ist Realität.“ Österreich sei vorbereitet, seine Grenze zu schützen, „falls es zu einem Grenzsturm kommt“.

Kurz: Kein Konflikt

Um die türkis-grüne Koalition sorgt sich Kurz nach eigenen Angaben nicht – trotz Meinungsverschiedenheiten. Man habe alle Beschlüsse gemeinsam gefasst. Dass Vizekanzler Werner Kogler ihm angesichts seiner harten Haltung beim EU-Budget Populismus vorgeworfen hatte, will Kurz nicht überbewerten: „Der Vizekanzler ist Chef einer anderen Partei, ist nicht Mitglied meiner Partei, hat da und dort andere Positionen als ich.“ Bei der Asylpolitik schwächte Kogler seine Positionen zuletzt ohnehin ab. Dass Österreich zumindest Frauen und Kinder aus dem Grenzgebiet holen sollte, sei seine Privatmeinung.
Allerdings ist es auch die Meinung vieler Parteikollegen. Ewa Ernst-Dziedzic, immerhin Vize-Klubobfrau im Parlament, besuchte das völlig überfüllte Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Sie forderte ein „sofortiges Handeln“. Es gehe nicht nur um Evakuierungen, vor allem brauche es finanzielle Mittel – und die müssten „gut investiert“ werden, sagte sie gegenüber der Austria Presseagentur.

Grüne: Allianz der „Willigen“

Sollte sich die Situation auf Lesbos weiter verschlechtern, brauche es möglicherweise eine „Allianz der Willigen“. Ob daran auch Österreich beteiligt sein werde und „ob es gelingt, Überzeugungsarbeit zu leisten, kann ich im Moment nicht beurteilen“, sagte Ernst-Dziedzic. Aber: „Wir dürfen den Boden der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte nicht verlassen.“

Polizisten für Griechenland

Österreich wird Griechenland nun (neben seinem Beitrag zum Schutz der EU-Außengrenze im Rahmen der EU-Grenzschutzagentur Frontex) auch bilateral unterstützen. Laut dem Bundeskanzleramt stellt die Regierung dafür 13 Beamte der Polizei-Sondereinheit Cobra, eine Drohne, ein gepanzertes Fahrzeug sowie eine Million Euro für humanitäre Hilfe zur Verfügung.

Die Regierung will außerdem auch darauf aufmerksam machen, dass auch die Lage an der österreichischen Grenze beobachtet wird. Heute, Montag, treten Innenminister Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) gemeinsam auf. Sie wollen daran erinnern, dass seit 2015 ein Assistenzeinsatz des Bundesheeres läuft. Soldaten unterstützen seitdem die Polizei bei ihrer Arbeit im grenznahen Gebiet in Österreich. (APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2020)

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