Filmkritik

„Onward“: Heldenreise mit einem halben Papa

Den toten Papa wieder herzaubern? Dem Elfen Ian gelingt nur die Hälfte – die untere.
Den toten Papa wieder herzaubern? Dem Elfen Ian gelingt nur die Hälfte – die untere.(c) Disney/Pixar
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Elfen, Zentauren und eine lose Hose: In „Onward“, einem Film über fehlende Vaterfiguren, durften die Animationsprofis von Pixar ihre Nerd-Fantasien rauslassen.

Drachen und Zauberer sind auf ihren Positionen, ein Stapel Karten liegt bereit: Fantasy-Rollenspiele wie „Dungeons and Dragons“ prägen seit den 1980ern die Popkultur. Auch im neuen Pixar-Film „Onward“ belagert ein ähnliches Spiel den Frühstückstisch der Elfenfamilie. Der Film spielt in einer Vorstadt im Fantasyreich – doch es geht hier ziemlich unmagisch zu: Trolle und Zyklopen langweilen sich auf der Highschool, Einhörner sind eine Landplage geworden. „I am a mighty warrior“, krächzt Mama Elf beim Bauch-Beine-Po-Training vor dem Fernseher. Und ihr Freund, der Polizist und Zentaur, quetscht sein ausladendes Pferdegesäß ins Auto. Auf den Hinweis, dass seine Spezies einst laufen konnte, lächelt er müde. Magie, das war einmal: Diese Geschöpfe haben sich zivilisiert und ihr Leben auf Technologie aufgebaut, das ist kontrollierbarer, das folgt klaren Standards – und ist ein genormtes Leben nicht ein gutes Leben?

Der ältere Elfenbruder Barley (Chris Pratt), ein liebenswerter Nerd, glaubt fest, dass es noch Spuren des alten Zaubers gibt. Doch es ist der jüngere Ian („Spider-Man“ Tom Holland), der an seinem 16. Geburtstag draufkommt, dass er magisch begabt ist. Ihr verstorbener Vater hat den Brüdern Zauber-Equipment hinterlassen, das es ihnen ermöglichen soll, ihn für einen Tag wieder auferstehen zu lassen. Leider geht das auf halbem Weg daneben – und statt eines voll ausgewachsenen Vaters steht nur eine Hälfte von ihm im Kinderzimmer: die untere. Mit einer tapsenden Hose an der Leine machen sich die Elfen also auf, ihren Papa zu vervollständigen, bevor er für immer verschwindet.

Solche Heldenreisen sind oft formelhaft, auch diese: Es geht ums Überwinden von Ängsten und das Entdecken vom Potenzial, das in uns schlummert; um fehlende Vaterfiguren und Wege, das zu kompensieren; um familiären Zusammenhalt. Regisseur Dan Scanlon, der sich bei der Disney-Tochter Pixar hochgearbeitet hat, hat die Geschichte auf eigenen Erfahrungen aufgebaut: Auch sein Vater ließ ihn und seinen Bruder jung zurück, auch er hing sehr an einer Tonaufnahme, die ihm vom Vater blieb. Elf Ian kennt die Kassette auswendig, spielt sie immer wieder ab und redet dazu, sodass sich ein Dialog entspinnt – eine schöne Illusion. Würde sie nicht jedes Mal abrupt abreißen!

Stumme Figuren: Das kann Pixar besser!

Scanlons Kollegen konnten sich für „Onward“ ganz ihren Nerd-Fantasien hingeben. Ein Kernteam aus Fantasy-Geeks bei Pixar entwickelte systematisch die Zaubersprüche und die Ästhetik, die sich sanft zwischen Märchenbuch und Mittelalter-Kult einpendelt. Im patscherten Barley, der mit fransiger Jeans-Weste und Nietenarmband im schrottreifen Van herumfährt, haben vielleicht einige ihr eigenes jüngeres, wildes Ich wiedererkannt. Zügeln mussten sie es dennoch: Hier bleibt alles bunt und kinderfreundlich. Selbst der riesige Drache, der sich am Ende aus Trümmern und Schrott zusammenbaut, hat das freundliche Gesicht eines Schulmannschaft-Maskottchens.

Und mittendrin läuft eine lose Hose herum. Sie tanzt, stolpert, schmiegt ihre Füße tröstend an die der Buben. Viel mehr Persönlichkeit ist in ihr nicht erkennbar, auch die Buben scheinen das so zu sehen: Anstatt mit ihrem halben Vater Zeit zu verbringen, stecken sie alle Energie in den Versuch, endlich einmal mit ihm zu sprechen. Das wirkt schon seltsam für einen Film einer Firma, die so oft bewiesen hat, wie viel Seele sie leblosen Objekten mit raffinierten Drehbuch-Einfällen und liebevoller Animation einhauchen kann – und wie viel man ohne Worte sagen kann. Einige der berührendsten Film-Sequenzen der Pixar-Geschichte sind wortlos, man denke an „Toy Story“, „Up“ und „WALL-E“: Hat man das hier etwa vergessen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2020)

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